CHANCEN 3/23: Interview

Von Brüssel nach Bremen nach Emden nach Oldenburg: Dr. Torsten Slink, Nachfolger von Dr. Thomas Hildebrandt als Hauptgeschäftsführer der Oldenburgischen IHK, kennt das Kammerleben wie kaum ein Zweiter.

Ein Kaffee mit: Dr. Torsten Slink

Herr Dr. Slink, Sie sind Anfang 2022 nach zwölf Jahren bei der IHK für Ostfriesland und Papenburg nach Oldenburg gekommen. Wie ist die erste Zeit hier verlaufen?

Die Anfangszeit war noch sehr geprägt durch Corona. Wenn Sie in einer solchen Zeit wechseln, dann sind die eigenen Vorstellungen eher nachrangig. Es gab natürlich Themen, mit denen sich alle Kammern beschäftigen – Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Fachkräftemangel. Aber Corona hat in der Zeit alles dominiert. Und wenig später hatten wir Krieg in Europa.

Das heißt, Sie konnten noch gar keine eigenen Akzente setzen?

Es wäre schön, wenn die Welt bald wieder so funktionieren würde, wie vor sieben oder acht Jahren. Ich sage immer scherzhaft, dass ich mir ein Jahr gepflegter Langeweile – also ohne Krisen und Katastrophen – wünsche.

Krisen bringen auch immer Chancen mit sich, heißt es …

Das ist richtig. Wer hätte etwa gedacht, dass wir innerhalb eines Jahres einen LNG-Hafen in Wilhelmshaven gebaut bekommen? Auch das Thema Wasserstoff steht plötzlich wieder auf der Tagesordnung, von der es zuvor verschwunden war. Uns stellt sich jetzt die Frage, ob und wie unsere Region diese Chancen nutzen kann.

Ist das Oldenburger Land auf diese Zukunftsaspekte vorbereitet?

Man muss bedenken, dass die Region recht groß ist. An der Küste werden andere Schwerpunkte gesetzt als etwa in der Stadt Oldenburg oder im Oldenburger Münsterland. Und obwohl das Thema Energiekosten in den letzten beiden Jahren sehr präsent ist, sieht es wirtschaftlich überall doch gut aus. Vergessen Sie nicht, woher wir gekommen sind: Einzelne Regionen hatten lange Jahre hohe zweistellige Arbeitslosenzahlen. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Unser Kammerbezirk ist wirklich gut aufgestellt.

Schauen wir auf die Zahlen: Der Umsatz der Industrieunternehmen im Oldenburger Land ist im ersten Halbjahr 2023 um 5,7 Prozent gestiegen, die Zahl der Insolvenzen rückläufig. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Wenn Sie allerdings die Inflation gegen den Umsatzzuwachs rechnen, bleibt von den guten Zahlen nicht mehr so viel. Zudem haben wir gerade in der Industrie eine extrem hohe Belastung durch Bürokratie. Ein Beispiel: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle schafft gerade 100 neue Stellen nur für das Lieferkettengesetz. Oder aus Brüssel kommen neue Verordnungen, für die Unternehmen tagelang Fragebögen ausfüllen müssen.

Die Konsequenz daraus …

… ist, dass viele Unternehmen überlegen, ob sie denn überhaupt noch investieren sollen. Auch bei uns. Wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht, halte ich mich mit Ausgaben eher zurück. Die genannten Zahlen wirken also nur auf den ersten Blick positiv. Die Stimmung in der Wirtschaft ist aktuell wirklich nicht gut – das geben wir auch bei jeder Gelegenheit an die Politik weiter.

Welche Möglichkeiten haben Sie, gegenzusteuern?

Die Politik muss den Unternehmen klarmachen, dass sie es ernst meint. Man kann nicht vom Bürokratieabbau sprechen, und als nächstes legt die EU die Verordnung über CBAM, also eine CO2-Grenzausgleichsabgabe, auf den Tisch. Dazu gibt es einen Fragebogen mit Hunderten von Seiten. Und damit ist dann noch lange nicht Schluss. Dazu kommt die Steuerlast für die Firmen. Wir sind inzwischen ein Hochsteuerland! Das macht es auch nicht leichter. Man kann Wirtschaft nicht endlos belasten, irgendwann kippt das System. Auch Politik muss nachhaltig agieren und den Unternehmen Planungssicherheit ermöglichen.

Im Dezember besteht die Universität Oldenburg 50 Jahre. Welche Rolle spielt sie aus Ihrer Sicht für die hiesige Wirtschaft?

Selbstverständlich eine sehr große. Sie ist ein wichtiger Standortfaktor für den ganzen Nordwesten, die IHK ist in vielerlei Hinsicht mit ihr eng verbunden – das gilt natürlich auch für die Jade-Hochschule und die Universität in Vechta. Das alles sind Leuchttürme der Region, auch für die Wirtschaft. Der Universität Oldenburg gratuliere ich deshalb sehr herzlich zum Jubiläum.

Zur Person

Dr. Torsten Slink (56) ist promovierter Jurist. Er ist verheiratet und Vater zweier inzwischen erwachsener Töchter.

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Zuletzt geändert am 13. Februar 2024