Neues Licht auf Rolle von Edith Ruß

23.04.2024

Neues Licht auf Rolle von Edith Ruß

Oldenburg. Welche Rolle hat Edith Ruß, die Namensgeberin und Stifterin des Oldenburger Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst, in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt? Bislang war ihre Tätigkeit als Schriftleiterin des Feuilletons der nationalsozialistischen „Oldenburgischen Staatszeitung“ bekannt, jedoch wurde ihr Wirken in einer im Jahr 2000 veröffentlichten Biografie als eher unbedeutend eingestuft. Neuere Recherchen und aktuelle Hinweise zeigen hingegen, dass Edith Ruß seit 1941 auch Mitglied der NSDAP war. „Diese neuen Erkenntnisse nehmen wir sehr ernst“, sagt Oberbürgermeister und Kulturdezernent Jürgen Krogmann. „Wenn sich die Hinweise durch das von uns in Auftrag gegebene historische Gutachten bestätigen, ist neu zu bewerten, ob der Name Edith Ruß für eine städtische Kultureinrichtung noch tragbar ist – oder geändert werden muss.“

Stadt prüft mögliche Konsequenzen
Nachdem am Donnerstag, 18. April, im Internet ein Foto der am 1. Januar 1941 auf Edith Ruß ausgestellten NSDAP-Mitgliedskarte aufgetaucht ist, hat die Stadtverwaltung unverzüglich eine entsprechende Dokumentenauskunft in Sachen Edith Ruß beim Bundesarchiv angefordert. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann hat darüber hinaus eine rechtliche Prüfung veranlasst, um zu klären, welche Auswirkungen eine Namensänderung des Medienkunst-Hauses auf die Verwendung der Stiftungsmittel haben würde.

Die am 22. Januar 1919 geborene Oldenburger Mäzenin hatte nach ihrem Tod im Juli 1993 der Stadt Oldenburg ihr gesamtes Vermögen, fast zwei Millionen Mark, vermacht. Durch ihren Nachlass konnte das im Jahr 2000 in der Katharinenstraße eröffnete Edith-Russ-Haus entstehen. Die Namensgebung „Edith-Russ-Haus“ ist im Testament verfügt.

Möglichst vollständiges Archivgut auswerten
Klarheit erhofft sich die Stadt Oldenburg durch ein von ihr im März 2024 in Auftrag gegebenes unabhängiges, historisches Gutachten über Edith Ruß, das voraussichtlich nach der Sommerpause fertiggestellt und dann öffentlich vorgestellt und diskutiert werden soll. Mit Dr. Mareike Witkowski und Dr. Joachim Tautz haben zwei anerkannte und in Bezug auf die Recherche zu Personen und ihrem Wirken im Nationalsozialismus erfahrene Historiker die wissenschaftlichen Nachforschungen zur Person Edith Ruß übernommen. „Wir wollen möglichst alle verfügbaren Quellen und Informationen über Edith Ruß erfassen und bewerten lassen – und auf dieser Grundlage einen faktenbasierten Diskurs führen, um zu entscheiden, ob der Name für das Haus nicht mehr tragbar ist“, erläutert Kulturamtsleiterin Christiane Cordes. Das von der Stadt beauftragte Historiker-Duo wird Einsicht in die komplette NSDAP-Mitgliedsakte nehmen. Zudem werden möglichst alle publizistischen Quellen von Edith Ruß untersucht.

In vollständig digitalisierter Form liegt die NSDAP-Mitgliederkartei über das Bundesarchiv erst seit wenigen Jahren vor. Diese Quelle fand daher in der im Jahr 2000 veröffentlichten Biografie keine Berücksichtigung.   

Kein Zweifel an Qualität des Medienkunst-Hauses
Oberbürgermeister Jürgen Krogmann lässt unabhängig von der aktuellen Diskussion um die Namensgeberin keinen Zweifel an der Qualität der Arbeit des Medienkunst-Hauses aufkommen. Gerade die kritische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus sei immer wieder wichtiger Bestandteil des Programms. Der Name des Hauses, betont Krogmann, dürfe aber nicht zur Belastung für die erstklassige Arbeit werden.