Oldenburg. „Warum geht sie nicht?“ ist eine Frage, die sich Laien immer wieder stellen, wenn sie von häuslicher Gewalt im Freundes- oder Bekanntenkreis erfahren. Auch Fachkräfte im Hilfesystem sehen sich mit dieser Frage konfrontiert, wenn die Beratung nicht zum „richtigen“ Ergebnis – der Trennung – führt. Vor diesem Hintergrund lud der Arbeitskreis „Häusliche Gewalt“ im Präventionsrat drei Expertinnen aus Forschung, Justiz und Beratung zum digitalen Fachtag „Ambivalenzen von Frauen in Misshandlungsbeziehungen“ ein. Daran nahmen am Mittwoch, 28. April, mehr als 200 Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufsgruppen teil.
Um Trennungsambivalenzen insbesondere vor dem Hintergrund traumatischer Erfahrungen ging es im einführenden Vortrag. Dabei wurde besonders unterstrichen, dass der Weg aus einer Gewaltbeziehung oft viele Jahre braucht und auf Seiten der Betroffenen sehr gute Ressourcen erfordert. Außerdem sei es ein Trugschluss, dass die Gewalt mit der Trennung automatisch endet. Tatsächlich findet gerade dann eine Eskalation der Gewalt statt, die durchaus auch tödlich enden kann.
Des Weiteren wurden die Entscheidungen und Möglichkeiten von Familiengerichten in den Blick genommen. Dabei wurde betont, dass in Fällen häuslicher Gewalt das Kindeswohl immer gefährdet ist und Umgangsregeln daraufhin sehr kritisch geprüft werden müssen.
Die Themen Opferrechte und Opferschutz im Strafverfahren wurden im abschließenden Vortrag erörtert, dem internationale Studien zu Grunde lagen. Außerdem wurde über Erfahrungen, die betroffene Frauen mit Polizei, Justiz und dem Hilfesystem machen, berichtet.
Alle Vorträge machten deutlich, dass von Gewalt betroffene Frauen nicht nur ambivalentes Verhalten zeigen, sie sind auch Ambivalenzen durch das Hilfesystem ausgesetzt, die eine Distanzierung zum Gewalttäter erschweren. „All diese Erfahrungen müssen wir als Beratende verstehen, damit wir richtig unterstützen und auch nach fünf oder mehr gescheiterten Trennungsversuchen immer noch der Frau tatkräftig und geduldig zur Seite stehen können“, sagt Anja Kröber vom Frauenhaus Oldenburg.
Ein weiterer Aspekt ist den Organisatorinnen wichtig: „Es kann nicht sein, dass die Verantwortung für die Beendigung der Gewalthandlungen dem Opfer zugeschrieben wird und dadurch der Täter mit seiner Verantwortung aus dem Blick gerät“, sagt Renate Vossler, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oldenburg. „Den Täter mit seiner Tat in die Verantwortung zu nehmen, würde den Schutz der Frauen stärken“, ergänzt die Geschäftsführerin des Präventionsrat Oldenburg, Melanie Blinzler.
Im Arbeitskreis „Häusliche Gewalt“ im Präventionsrat arbeiten Vertreterinnen des Autonomen Frauenhauses e.V., des Vereins Konfliktschlichtung e.V., der GSG Oldenburg, der BISS-Beratungsstelle, der Beratungsstelle Olena, des Präventionsrates und des Gleichstellungsbüros zusammen. Der Arbeitskreis engagiert sich in der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema und sensibilisiert für die Tatsache, dass Partnerschaftsgewalt keine Privatsache ist.
Weitere Informationen unter www.oldenburg.de/gleichstellung und unter www.praeventionsrat-oldenburg.de