Love is a Battlefield – Wie erotisch ist die Kunst von Horst Janssen?

12.10.2023

Love is a Battlefield – Wie erotisch ist die Kunst von Horst Janssen?

Oldenburg. „Love is a Battlefield“ ist nicht nur ein bekannter Songtitel, sondern auch der Name einer Ausstellung, die das Horst-Janssen-Museum Oldenburg vom 14. Oktober 2023 bis zum 28. Januar 2024 zeigt. Das Museum stellt damit seinen Besucherinnen und Besuchern die Frage: Wie erotisch ist die Kunst von Horst Janssen? „Die erotische Kunst von Horst Janssen erscheint in den unterschiedlichsten Spielarten und bewegt sich zwischen extremen Polen“, sagt Museumsleiterin Dr. Jutta Moster-Hoos, „vom zärtlichen Liebesspiel über fantastische Szenen bis zur pervertierten Begegnung lassen sich seine Werke lesen. Wie blicken wir, in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts, auf sie?“

Macht und Ohnmacht
Für diese Ausstellung haben die Kuratorinnen Dr. Sabine Siebel und Dr. Jutta Moster-Hoos Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle aus mehr als drei Jahrzehnten ausgewählt und ordnen sie thematischen Gegensatzpaaren wie Macht und Ohnmacht, Realität und Fiktion, Lust und Schmerz, Abbild und Deformation zu, um die Breite des Darstellungsspektrums und dessen charakteristische Ambivalenz deutlich zu machen. „Macht und Ohnmacht spielen in Janssen erotischen Bildfantasien eine große Rolle, erläutert die Kuratorin Sabine Siebel, „so zeigt Janssen einerseits drastische Formen des Zugriffs auf den Frauenkörper, andererseits können Frauen in seinen Werken auch dominieren. Er inszeniert sie als Verführerinnen in geradezu bedrohlicher Lüsternheit und Überlegenheit.“

Realität und Fiktion
Privat strebte Janssen, der vaterlos aufwuchs, einerseits nach Paarbeziehung und bürgerlicher Lebensform, andererseits gab es kaum einen gesellschaftlichen Anlass, den er nicht durch provokantes Verhalten sprengte. Auch seine Frauenbeziehungen endeten oft dramatisch. Bis dahin waren sie jedoch seine Musen und inspirierten seine erotischen Bildfantasien. Den männlichen Part besetzen in Janssens Szenerien fast durchgängig bizarre, fantastische Gestalten, die das Fiktive des Geschehens betonen: skurrile Gnome, lüsterne Tierwesen und dämonische Mischwesen, aber auch maskierte Gestalten, Skelette und phallische Fantasiegeschöpfe.  

Lust und Schmerz
Unter dem Gegensatzpaar Lust und Schmerz finden sich Werke mit Janssens Schlüsselmotiv und Fetisch: dem weiblichen Arm. Viele von Janssens erotischen oder pornografischen Bildfantasien zeigen Elemente sadomasochistischer Praktiken. Die Verbindung von Erotik mit Gewalt war damals auch in anderen Kontexten sehr gegenwärtig: in theoretischen Diskursen von Intellektuellen und Kreativen sowie in der Lebenswelt des Hamburger Rotlichtviertels auf St. Pauli, zu dem auch Janssen Kontakte hatte.

Kunstfreiheit und sexuelle Revolution der 1960er Jahre
Die Kuratorinnen beziehen in der Ausstellung auch den kunst- und kulturhistorischen Kontext mit ein. Janssens künstlerischer Auftakt in der erotischen Kunst Ende der 1950er Jahre fiel in eine Zeit des Umbruchs und aufgeheizter öffentlicher Debatten. Es fanden Prozesse gegen die Verbreitung „unzüchtiger“ Schriften und die Ausstellung „unsittlicher“ Kunst statt, die wiederum ein starkes Engagement für die Kunstfreiheit hervorriefen. Anfang der 1960er Jahre fällte das Hamburger Landgericht ein wichtiges Grundsatzurteil, das die Autonomie der Kunst gegenüber der Zensur stärkte. Hinzu kam die „Sexuelle Revolution“ der 1960er Jahre, die sich auch in einer Überfülle erotisch inszenierter Frauenkörpern in Zeitschriften, in der Werbung und im Kino widerspiegelte. Weiterhin ließ Janssen sich auch von der Kunstgeschichte und den „erotischen“ Motiven aus der antiken Mythologie, der Bibel und Literatur inspirieren.

Besucherpartizipation
„Nun gibt es den historischen und persönlichen Kontext Janssens auf der einen Seite, aber die Besucherinnen und Besucher bringen in die Ausstellung und in die Betrachtung der Bilder auch ihre ganz persönlichen Erfahrungshorizonte mit. Uns interessiert: Wie und was sehen die Menschen in Janssens erotischer Kunst heute?“, sagt Museumsleiterin Moster-Hoos. „Fast 30 Jahre nach Janssens Tod gibt es neue gesellschaftliche Erwartungen und Anforderungen. Hat die Kunst noch den Freiraum, alles darstellen zu dürfen? Ist moralische Integrität Voraussetzung für gute Kunst? Soll man Leben und Werk trennen? Deshalb möchten wir unsere Besucherinnen und Besucher in die Ausstellung mit einbeziehen.“ Bereits im Vorfeld der Ausstellung und während der Laufzeit findet eine Umfrage zu ausgewählten Janssen-Werken statt – diese kann online (https://www.horst-janssen-museum.de/ausstellungen/umfrage ») und im Museum ausgefüllt werden. Die Ergebnisse sollen am Ende der Laufzeit in einem Podiumsgespräch diskutiert werden und sind teilweise auch in der Ausstellung wiederzufinden. Außerdem wurde ein Ausstellungsbegleiter in Form eines Fächers entwickelt, der mit Janssen-Zitaten und Fragen zu einer Gedankenreise durch „Love is a Battlefield“ anregt, um am Schluss anhand einer Skala zu beantworten: Wie erotisch ist die Kunst von Horst Janssen?

Neue Dauerleihgabe „Der Kuss“ in der Ausstellung zu sehen
Anlässlich der Ausstellung haben die Freunde und Förderer des Horst-Janssen-Museums e.V. das Janssen-Werk „Der Kuss“ angekauft und bei der Pressekonferenz am Donnerstag, 12. Oktober, als Dauerleihgabe an das Museum überreicht. Die Farblithographie von 1985 wird in „Love is a Battlefield“ zu sehen sein. „Wir begrüßen das Vorhaben des Museums, sich der erotischen Kunst von Horst Janssen erneut zu widmen und sie in einen aktuellen zeithistorischen Kontext zu stellen und unterstützen die Ausstellung gerne durch den Ankauf des Werkes ‚Der Kuss‘“, erläutert die Vereinsvorsitzende Inge von Danckelman.

Förderung
Die Ausstellung wird gefördert von der Kulturstiftung der Öffentlichen Oldenburg und von den Freunden und Förderern des Horst-Janssen-Museums Oldenburg e.V.

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Horst Janssen, Gila - Die Kastrierung des Zeus, 1978, Bleistift, Farbstift, Aquarell. Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2023