Oldenburg. Der Bremer Künstler Amir Omerović hat einen von der Stadt Oldenburg ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Mahnmal auf dem Alten Jüdischen Friedhof Oldenburg gewonnen, um an hier anonym beerdigte Kriegsopfer sowjetischer, polnischer und unbekannter Herkunft zu erinnern. Der bereits mehrfach ausgezeichnete Bildhauer und Lehrbeauftragte der Bremer Hochschule für Künste, der unter anderem in Bremen bei Prof. Altenstein, in Saravejo und Berlin studiert hat, überzeugte mit seiner Arbeit aus Bronze und Stahl.
Der Hintergrund:
Auf dem Jüdischen Friedhof an der Dedestraße wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1941 bis 1943 in einem Sammelgrab 56 Kriegsopfer begraben. Die 48 Soldaten und acht Zivilisten mussten als Zwangsarbeiter unter schwersten Bedingungen in verschiedenen Arbeitskommandos arbeiten. Sie starben meist an den Folgen von Unterernährung, Krankheiten oder durch Gewaltanwendung und wurden auf dem Jüdischen Friedhof würdelos vergraben – ein Akt, der als Schändung des Friedhofs zu betrachten ist.
In enger Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg sollen mit diesem Mahnmal die Erinnerung an die Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft wachgehalten und den bislang anonym bestatteten Opfern ihre Identität wiedergegeben werden. Dazu werden die Namen und Lebensdaten, soweit bekannt, aufgeführt.
Die Jury:
Über die Zuerkennung hat eine fünfköpfige Jury bestehend aus Christiane Cordes, Kulturamtsleiterin der Stadt Oldenburg, Udo Reimann, Bildhauer, Bodo Gideon Riethmüller, Jüdische Gemeinde zu Oldenburg und Landesbeauftragter für Friedhofsangelegenheiten, Prof. Dr. Rainer Stamm, Direktor des Landesmuseums für Kultur und Kunstgeschichte sowie Dr. Sven Uhrhan, Baudezernent der Stadt Oldenburg, entschieden. Der Beschluss wurde einstimmig getroffen.
Die Begründung:
Die Jury schreibt in ihrer Begründung: „Die Arbeit des Bremer Bildhauers Amir Omerović überzeugt durch ihre reduziert-leise Anmutung, die den Betrachtenden zu einer Reflexion über die existenziellen Fragen des Seins und Nicht-mehr-Seins auffordert. Fußabdrücke scheinbar aus dem Nichts, individuell und unverwechselbar und doch dem gleichen Weg unterworfen, weisen auf das qualvolle Leiden und Sterben der 56 Kriegsopfer sowjetischer, polnischer und unbekannter Herkunft in den Jahren 1941 bis 1943. Die Kombination der Materialien Bronze und Stahl, die sich wie Metallflüsse in die Fläche ergießen, symbolisiert in ihrer Formbarkeit einerseits und Robustheit andererseits gleichermaßen Einzigartigkeit und Vergänglichkeit. Amir Omerović gelingt es in seiner künstlerischen Umsetzung trefflich, die Besonderheit des Ortes auf dem Jüdischen Friedhof und die Erinnerung an die Kriegsopfer einfühlsam zu verknüpfen und damit ein würdevolles Gedenken zu ermöglichen.“
Die Geschichte:
Der Jüdische Friedhof in Osternburg stammt aus dem Jahr 1814. Beigesetzt wurden auf dem Friedhof auch jüdische Personen aus der Umgebung, so dass 1862 das Gelände durch Zukauf erweitert werden musste. Seit 1866 schützt eine Außenmauer die Begräbnisstätte, die etwa 300 Grabstellen umfasst. Auch die drei Landesrabbiner Bernhard Wechsler, Dr. David Mannheimer und Dr. Philipp de Haas haben auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Der Jüdische Friedhof ist in der Geschichte seines Bestehens wiederholt geschändet worden, so auch in der Pogromnacht am 9./10. November 1938, als die jüdischen Mitbürger Oldenburgs verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert wurden. Die Synagoge an der Peterstraße wurde in Brand gesetzt, ebenso die 1921 auf dem Jüdischen Friedhof errichtete Trauerhalle. Während die Synagoge komplett ausbrannte, blieb die Grundsubstanz der Trauerhalle weitgehend unbeschädigt. Zwischen 1941 und 1943 schändeten die Nationalsozialisten den Jüdischen Friedhof erneut, indem sie die 56 Kriegstoten dort verscharrten. Zudem wurde, vermutlich im Jahr 1943, ein Luftschutzrundbunker auf dem Friedhof errichtet, dessen Abriss in den 1960er Jahren erfolgte.
Nach Kriegsende wies die britische Militärregierung die Stadtverwaltung an, den Friedhof wiederherzurichten. Einzelne Grabsteine, die Außenmauer sowie das Eingangstor wurden daraufhin repariert. Die Trauerhalle wurde Anfang der 1950er Jahre nur vorläufig und erst in den 1970er Jahren komplett saniert. Das Kriegsgräberfeld ist bis heute lediglich mit einem schlichten Gedenkstein aus den 1950er Jahren ohne Namensnennungen versehen. Mit der Errichtung des Mahnmals soll nun ein würdiges Gedenken an jene bislang namenlosen Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ermöglicht werden.
Die Umsetzung:
Die Ausschreibungsbedingungen des Wettbewerbs sehen 21.000 Euro für Honorar, Material, Fundament, Transport, Aufstellung sowie sonstige Nebenkosten vor. Die ursprünglich in diesem Jahr geplante Übergabe des Denkmals im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde Corona-bedingt auf das nächste Jahr verschoben. Als Termin ist nun der 22. Juni 2021 – anlässlich des 80. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion – vorgesehen.