Oldenburg. Mit „Live and Die as Eva Braun and Other Intimate Stories“ zeigt das Edith-Russ-Haus für Medienkunst vom 29. Januar bis 10. April 2016 die erste Soloausstellung des renommierten israelischen Videokünstlers, Malers und Autors Roee Rosen in Deutschland. Zentrale Themen in seinem Werk sind Fragen der Identität, des Todes und des ,Bösen‘; Themen, die er im menschlichen Körper und der menschlichen Stimme spiegelt. Ein besonderer Schwerpunkt seiner provokativen Arbeiten liegt auf der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und dem Holocaust. Eröffnet wird die Schau am Donnerstag, 28. Januar, um 19 Uhr.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die erste Soloausstellung Roee Rosens in Deutschland erst 2016 stattfindet. „Sein Werk ist schwer zugänglich und noch schwerer verdaulich, es ist verwirrend, verstörend und verfolgt den Betrachter wie ein Dämon, der sich in seinem Nacken, oder besser noch in seinen Augen festgesetzt hat. Und viele dieser Dämonen kommen direkt aus der deutschen Geschichte“, beschreibt Marcel Schwierin, Kurator und Leiter des Edith-Russ-Hauses, das Werk Rosens.
Roee Rosen wurde 1963 als Sohn eines Holocaust-Überlebenden geboren, sein Vater, wie so viele, sprach nie über das Erlebte. Dafür reproduzierte es sich in den Albträumen seines Sohnes, der in magischen Bildern all die möglichen Schrecken nochmal durchlebte und so morgens selbst zu einem imaginären Überlebenden des rasenden, nationalsozialistischen Vernichtungswillens wurde – der, wenn er denn seiner hätte habhaft werden können, ja auch ihn getroffen hätte.
In Rosens Werk verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen historischen Tatsachen und ihrer Transformation. „Die dunklen Themen seiner Arbeit um Gewalt und Leid konterkariert er mit einem tiefschwarzen, aber niemals zynischen Humor, der keinen gesellschaftlichen Konsens in der Betrachtung des Unglücks akzeptiert und so die eingeschriebenen Pfade der Political Correctness bewusst verletzt“, erläutert Edit Molnár, Kuratorin und Leiterin des Edith-Russ-Hauses, und fügt hinzu: „Auch dem Betrachter verweigert er die versöhnliche Katharsis.“
Rosen verschleiert seine Identität, indem er in seinem Werk in zahllosen verschiedenen Figuren erscheint, mal als Mann, mal als Frau und mal als Künstlergruppe. Mit dieser Strategie macht er die widersprüchlichen historischen und sozialen Narrationen von Macht, Ohnmacht und Unterdrückung sichtbar. Er nimmt dabei bewusst die Zuschreibungen antisemitischer Propaganda auf und übersteigert sie ins Groteske. Roee Rosens zentrales Thema ist die Zerstörung des menschlichen Körpers in seinen zahllosen historischen und geopolitischen Varianten, vom Mittelalter bis zur Gegenwart.
„Der Körper ist immer der Erste, der Dir sagt wenn etwas nicht in Ordnung ist; die somatische Überschreitung kommt zuerst und sagt Dir, dass eine Grenze übertreten wurde. Es passiert nicht häufig, aber manchmal gibt mir eine Idee dieses schwitzige, unangenehme Gefühl und dann weiß ich, dass sie meine Aufmerksamkeit verdient.“ – Roee Rosen
Weder die intensive Beschäftigung mit dem Werk, mit den zahllosen (kunst)historischen Referenzen oder der Schönheit in den Details, noch die Einordnung seines Oeuvres in einen Kontext von Pieter Bruegel d. Ä., George Grosz, Marquis de Sade oder George A. Romero mindert die Wucht, mit der Roee Rosens Werk den Zuschauer trifft. So stemmt er sich gegen das Vergessen, welches in die versöhnlichen Rituale kanonisierter Trauer eingebettet wird.
Die titelgebende Installation „Live and Die as Eva Braun“, die die intime Liebesgeschichte zwischen Eva Braun und Adolf Hitler thematisiert, war bei ihrem Erscheinen in Israel ein Skandal und wurde bis zur Ministerialebene heftig kritisiert und diskutiert.
Die Ausstellung zeigt Videoinstallationen, Zeichnungen, Bücher, Poster und T-Shirts Rosens, eine neue Installation von „Live and Die as Eva Braun“ und die erste öffentliche Präsentation von „The Blind Merchant“. Für diese Ausstellung wurden die ausgestellten Filme Rosens zum ersten Mal deutsch untertitelt. Die speziell für das Edith-Russ-Haus entstandene Installation „Justine Frank Morphing Self Portraits“ ist als Projektion in den öffentlichen Raum im Aquarium des Edith-Russ-Hauses jeden Abend von Sonnenuntergang bis Mitternacht zu sehen. Zur Finissage der Ausstellung erscheint ein zweisprachiges Buch unter dem gleichnamigen Titel bei Sternberg Press, mit literarischen Texten, Essays und einem Interview von Roee Rosen.
Auf der Transmediale zeigt das Edith-Russ-Haus am 6. Februar 2016 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin ein Filmprogramm mit Roee Rosen, mit den Berlin-Premieren der Filme „Two Women and a Man“ und „The Confessions of Roee Rosen“.
Roee Rosen: Live and Die as Eva Braun and Other Intimate Stories
27.01.2016
Roee Rosen: Live and Die as Eva Braun and Other Intimate Stories

Foto: Edith-Russ-Haus