Oldenburg. Das Horst-Janssen-Museum hat, mit Unterstützung seines Fördervereins, dieses Jahr erstmalig ein Forschungsstipendium vergeben. Stipendiatin ist die Künstlerin Aline Helmcke aus Leipzig. Mitte Januar hat sie ihre neunmonatige Residenz in Oldenburg angetreten. Sie wohnt im ehemaligen Haus von Horst Janssens Großeltern. Mit ihrer Forschung will sie den Blick auf Horst Janssens Frühwerk und das Verhältnis von Zeichnung und Bewegung richten.
Mittlerweile hat Aline Helmcke sich in Oldenburg eingelebt. „Es ist natürlich etwas ganz Besonderes, dass ich während meiner Forschungsarbeit in dem Haus leben darf, in dem Horst Janssen seine Kindheit verbracht hat“, sagt die Künstlerin. Das Museum hat für die Stipendiatin eine Wohnung in der Lerchenstraße 14 angemietet, in dem vor 90 Jahren die Großeltern von Horst Janssen lebten und sich um ihren unehelich geborenen Enkel kümmerten. Ihre Tage verbringt Aline Helmcke jedoch weniger in der Lerchenstraße, sondern vielmehr im Horst-Janssen-Museum. Hier hat sie ihren Arbeitsplatz im Grafikmagazin, wo in Schubladen und Schränken die Zeichnungen und Grafiken von Janssen lagern.
„Horst Janssens Frühwerk interessiert mich besonders, weil es sich durch eine große Vielfalt zeichnerischer Techniken auszeichnet,“ erläutert Aline Helmcke. „Man kann daran ablesen, wie Janssen das Potenzial grafischer Drucktechniken wie Holzschnitt, Lithographie und Radierung erkundet, aber auch, wie er Impulse anderer Künstler aufgegriffen und weiterentwickelt hat. In dieser Phase des Experimentierens bildet er ein Vokabular an Ausdrucksmöglichkeiten heraus, auf das er in seinen späteren Arbeiten immer wieder zurückgreift.“ Helmckes eigener künstlerischer Schwerpunkt liegt im Bereich Animation, also bewegter Zeichnung. Und so wird sie ihr Forschungsinteresse während des neumonatigen Stipendiums auf das Verhältnis von Zeichnung und Bewegung richten: „Im Zusammenhang mit Janssens Frühwerk werde ich untersuchen, welchen Einfluss die Anwendung verschiedener grafischer Techniken auf Linienführung und künstlerischen Ausdruck in Janssens Frühwerk hat. In diesem Zusammenhang spielen Werkzeug und Material eine besondere Rolle, da diese einen entscheidenden Anteil daran haben, wie spontan oder überlegt eine künstlerische Geste ausgeführt wird.“
„Das neu gegründete Stipendium des Horst-Janssen-Museums richtet sich an junge nationale oder internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von Oldenburg aus die Ausstellungs- und Forschungsarbeit des Museums verstärken, Impulse setzen sowie zur Vernetzung des Hauses mit Institutionen im In- und Ausland beitragen“, sagt Inge von Danckelman vom Förderverein, der das Stipendium maßgeblich mitfinanziert. Christiane Cordes, Amtsleiterin für Kultur, Museen und Sport beschreibt den Grundgedanken des Stipendiums so: „Horst Janssens Werk soll in neue Zusammenhänge gestellt und seine Bedeutung für die Kunstgeschichte weiter herausgearbeitet werden. Um neue Blickwinkel zu eröffnen, sind neben kunstwissenschaftlichen auch interdisziplinäre Fragestellungen möglich.“ Die erste Stipendiatin ist denn auch keine Kunstwissenschaftlerin, sondern eine Künstlerin.
„Ich habe Aline Helmcke im vergangenen Jahr kennengelernt, als sie für unsere Ausstellung ‚Janssen ANIMIERT‘ eine Animation geschaffen hat. Mit ihrem künstlerischen Background und ihrem Schwerpunkt auf bewegter Zeichnung erwarten wir uns von ihr einen ganz neuen Forschungsansatz im Hinblick auf Horst Janssen und sind gespannt, in welchem Format sie ihre Ergebnisse präsentieren wird“, sagt die Museumleiterin Dr. Jutta Moster-Hoos. „Für ihre Forschung stehen ihr unsere umfangreiche grafische Sammlung, die Museumsdatenbank, die Bibliothek und der schriftliche sowie fotografische Nachlass Janssens zur Verfügung. Fachliche Unterstützung erhält sie von einer unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen.“
Neben der kostenfreien Wohnung und dem Zugang zum Forschungsmaterial durch das Museum beinhaltet das Stipendium auch eine monatliche Pauschale für die Lebenserhaltungskosten, die vom Verein der Freunde und Förderer des Horst-Janssen-Museums getragen wird. „Wir freuen uns sehr, dass wir die Idee eines gemeinsamen Stipendiums mit dem Horst-Janssen-Museum in diesem Jahr erstmalig umsetzen können“, sagt Inge von Danckelman, die erste Vorsitzende des Vereins. „Unser Dank geht auch an das Unternehmen Johannes Oetken und Söhne GmbH & CoKG, das sich bei der Bereitstellung der Wohnung in der Lerchenstraße – auch finanziell – sehr kooperativ gezeigt hat.“
Über Aline Helmcke
Aline Helmcke wurde 1974 in Berlin geboren. Sie studierte von 1995 bis 2002 an der Universität der Künste Berlin und wurde dort 2002 Meisterschülerin. Anschließend absolvierte sie am Royal College of Art in London einen Masterstudiengang in Animation. Seit April 2020 promoviert sie an der Filmuniversität Babelsberg über das Thema „Zeichnen zur Zeit“. Seit 2009 ist sie in der Lehre tätig, zuletzt an der Bauhaus-Universität Weimar. Ihre Arbeiten wurden unter anderem im Museum Folkwang Essen, im Haus der Kulturen der Welt Berlin, der Kunsthalle Erfurt sowie auf Filmfestivals in Mexico City, Cork, Girona, Toulouse, Trieste und London gezeigt. 2021 war Aline Helmcke mit einer Arbeit in der Ausstellung „Janssen ANIMIERT“ im Horst-Janssen-Museum zu sehen.
Mehr über Aline Helmcke: ahelmcke.com
Über das Stipendium: www.horst-janssen-museum.de/museum/stipendium/