Oldenburg. Die Stadt Oldenburg würdigt die Publizistin Dr. Carolin Emcke mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik. Die 52-Jährige erhält die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung aufgrund des einstimmigen Votums einer unabhängigen Jury. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann wird ihr den Preis, der von der Stadt in Erinnerung an Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky alle zwei Jahre vergeben wird, am Mittwoch, 27. Mai, im Rahmen eines Festaktes in Oldenburg verleihen.
Carolin Emcke, promovierte Philosophin, ist eine international geachtete Intellektuelle, die sich als erfahrene Kriegsreporterin, Autorin, Kuratorin und Moderatorin kritisch zu aktuellen Themen der Gegenwart positioniert. Die mehrfach ausgezeichnete Publizistin, die sich gegen Hetze, Rassismus und Antisemitismus engagiert, wurde unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und zuletzt mit dem Brückenpreis der Stadt Regensburg geehrt.
Die Jury für die Vergabe des Carl-von-Ossietzky-Preises schreibt in ihrer Begründung: „Ob als Kriegsreporterin oder als Essayistin und literarische Philosophin in einer Gesellschaft im Umbruch – Carolin Emcke tritt der offenen oder versteckten Gewalt seit Jahren als engagierte Stimme der Aufklärung und Humanität entgegen. Sie lässt sich nicht einschüchtern, sondern mischt sich in den gesellschaftlichen Diskurs ein als kritische intellektuelle Stimme gegen Hetze, Rassismus und Antisemitismus. Sie steht beharrlich für Werte wie Respekt, Gleichheit und Vielfalt gerade dann, wenn der gesellschaftliche Diskurs von zunehmender Verrohung bedroht ist. Ganz im Sinne Carl von Ossietzkys verteidigt sie dadurch Freiheit und Demokratie als Grundlagen einer an Humanität orientierten Zukunft.“
Zur fünfköpfigen Jury gehören die Literaturwissenschaftlerin Professorin Dr. Sabine Doering (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), der Journalist und Autor Dr. Gunter Hofmann (DIE ZEIT, Berlin), Friedrich-Wilhelm Kramer (Hamburg), ehemals Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, freier Journalist und Lehrbeauftragter für Medien und Politik in Riga und Hamburg, Thomas Roth (Berlin), Journalist, früherer Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios und Tagesthemen-Moderator, sowie der Historiker Professor Dr. Martin Sabrow (Berlin), Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt Universität zu Berlin.
Zur Preisträgerin
Carolin Emcke, geboren 1967 in Mülheim/Ruhr, hat Philosophie, Politik und Geschichte in London, Harvard und Frankfurt/Main studiert. 1993 legte sie ihren Master Artium in Philosophie bei Professor Jürgen Habermas ab und wurde 1998 bei Professor Axel Honneth (Frankfurt) und Professorin Seyla Benhabib (Harvard University) über den Begriff „Kollektive Identitäten“ promoviert. Als fest angestellte Redakteurin begann sie 1998 ihre journalistische Laufbahn bei dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL und berichtete als Auslandsredakteurin bis 2006 aus vielen Krisen- und Kriegsgebieten, so auch aus Afghanistan, dem Kosovo, Irak, Pakistan und Gaza. Darüber hinaus war sie Lehrbeauftragte an der Yale University für Politische Theorie. Von 2007 bis 2014 schrieb sie als Autorin und internationale Reporterin für die Wochenzeitung DIE ZEIT, um anschließend als freie Publizistin regelmäßig Essays, Reportagen und Kolumnen unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, El Pais und Mediapart zu veröffentlichen.
Carolin Emcke ist darüber hinaus seit 2004 Kuratorin und Moderatorin des monatlichen Diskussionsformats „Streitraum“ an der Schaubühne in Berlin. Ihre Buchveröffentlichungen „Von den Kriegen. Briefe an Freunde“, „Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF“, „Wie wir begehren“, „Weil es sagbar ist. Zeugenschaft und Gerechtigkeit“, „Gegen den Hass“ und „Ja heißt ja und ...“ wurden zum Teil in mehrere Sprachen übersetzt.
Emcke ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden, so unter anderem mit dem Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung „Das politische Buch“ (2005), dem Theodor-Wolff-Preis (2008), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (2014), dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen (2015), dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2016) und dem Brückenpreis der Stadt Regensburg (2019).
Über den Carl-von-Ossietzky-Preis
Der Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik wird von der Stadt Oldenburg seit 1984 alle zwei Jahre für Arbeiten, Gesamtwerke oder an Personen vergeben, die sich in herausragender Weise mit Leben und Werk Ossietzkys, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus und der demokratischen Tradition und Gegenwart befassen oder die sich im Geiste Ossietzkys mit Themen der Politik und Zeitgeschichte auseinandersetzen. 2018 wurde die amerikanische Antisemitismus- und Holocaustforscherin Professorin Dr. Deborah Esther Lipstadt mit dem Preis ausgezeichnet.
Weitere Informationen zum Carl-von-Ossietzky-Preis sind im Internet unter www.ossietzky-preis.de zu finden.
Langfassung der Jury-Begründung: Botschaft gegen Hass und Ausgrenzung
„Carolin Emcke wird mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2020 der Stadt Oldenburg ausgezeichnet. Sie war Kriegsreporterin in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, im Irak oder im Gazastreifen. Wenn sie von dort berichtet hat, verkörperte sie stets auch eine Stimme der Humanität gerade für jene, die in der Gewalt der Kriege keine Stimme mehr haben. Sie setzte und setzt sich als Publizistin dabei zugleich stets kritisch mit ihrer jeweils eigenen Rolle auseinander. Aufklärung ist ihr Interesse. Und Zeugin sein, wenn Unrecht geschieht.
Carolin Emcke ist auch als Autorin und Publizistin seit Jahren ganz im Sinne Carl von Ossietzkys eine Stimme der kritischen Humanität in einer Gesellschaft, die in ihren Debatten auch außerhalb der sozialen Medien von einer zunehmend aggressiven Grundstimmung bis hin zur offenen Bedrohung geprägt ist. Deshalb mischt Carolin Emcke sich ein. Sie lässt sich nicht einschüchtern und tritt auf gegen Hetze, Rassismus, Antisemitismus und ,Gegen den Hass‘, wie sie einen ihrer jüngeren Essays als Buch überschrieben hat. Carolin Emcke engagiert sich nachdrücklich für Respekt und Vielfalt. Und sie steht, wiederum ganz im Sinne Carl von Ossietzkys, für die Notwendigkeit kritischer Debatten in einer Gesellschaft im Umbruch, die Orientierung sucht und gerade deshalb ihre Orientierung an Humanität, Vielfalt und Empathie nicht verlieren darf. Deshalb wird Carolin Emcke mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2020 ausgezeichnet.“