CHANCEN 3/23: 50 Jahre Universität Oldenburg

Tusch! Die Universität Oldenburg wird fünfzig Jahre jung. Eine Laudatio auf eine Jubilarin, die ihre Zukunft noch vor sich hat und weiterhin Stadt und Wirtschaft mit Impulsen bereichern wird.

Mit Gespür für das Morgen

Fünfzig Jahre – für eine Universität ist das kein Alter. Verglichen mit Hochschul-Dinos wie Heidelberg, Würzburg oder Leipzig (alle über 600 Jahre) kommt die Uni Oldenburg tatsächlich wie ein Jungspund daher. Gegründet in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als Nachfolgerin der damaligen Pädagogischen Hochschule hatte sie es anfangs mit erheblichen Akzeptanzproblemen zu tun. Die Oldenburgerinnen und Oldenburger beäugten das Ufo, das da im Westen der Stadt gelandet war, mit einer gehörigen Portion Skepsis. Das Wort von der „linken Kaderschmiede“ machte schnell die Runde.

Wann sich die Stimmung zu drehen begann, vermag Prof. Dr. Ralph Bruder nicht genau zu terminieren. Der 60-Jährige, seit 2021 als inzwischen achter Präsident der Universität im Amt, spricht von einer „kontinuierlichen Entwicklung“. Er weiß: Viele der reformorientierten Gründungen der 1970er taten sich zu Beginn schwer, die Bevölkerung für sich einzunehmen. Man hatte dort ein Bild im Kopf, wie es an den Hochschulen zugehen müsse. Es anders zu machen war in den von Traditionen geprägten Vorstellungen nicht vorgesehen.

Die Zeiten sind heute andere. Längst ist die Universität aus Oldenburg und der Region nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil. Sie hat den Nordwesten nachhaltig geprägt und ist in vielerlei Hinsicht einer der Motoren seiner Entwicklung. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann sieht sie als „Quelle innovativer Ideen“ und somit als „Faktor für die Zukunftsfähigkeit unserer Region“ an.

Kontinuität und Verbindlichkeit stärken

Die Beziehung zwischen Stadt und Universität verläuft seit 2002 in geordneten Bahnen. Nachdem es zwei Jahre zuvor eine wegweisende Ratssitzung gegeben hatte, unterzeichneten der damalige Oberbürgermeister Dietmar Schütz und Universitätspräsident Prof. Dr. Siegfried Grubitzsch einen ersten Kooperationsvertrag. Er sollte Kontinuität und Verbindlichkeit in der gemeinsamen Arbeit stärken. Zur Feier des 50. Gründungsjubiläums der Universität wurde jetzt eine neue Vereinbarung aufgesetzt.

Dass die Universität zu einem bedeutenden Standortfaktor für Oldenburg geworden ist, liegt vor allem an ihrem feinen Gespür für die Themen der Zukunft. Schon 1980 war mit dem ersten Spatenstich für das Energielabor das Thema „Alternative Energiequellen“ auf die Agenda gerückt. Und bereits 1984 – Jahre bevor der Personalcomputer seinen Siegeszug antrat – wurde das Lehrangebot um den Studiengang Informatik erweitert.

Auch die Hörforschung gehört in diese Reihe. Sie hat Oldenburg einen Platz auf der Landkarte der Exzellenzuniversitäten gesichert. „In dieser Liga wollen wir auch in Zukunft spielen“, nennt Professor Bruder ein ambitioniertes Ziel. Dazu werde man einem bewährten Prinzip treu bleiben: nicht zu eng und nicht zu disziplinär zu denken. Die Hörforschung sei dafür ein gutes Beispiel, ergänzt der Universitätspräsident: „Hier geht es nicht allein um die Technik, sondern auch um das Hören in einem sozialen Kontext.“ Wer nicht oder schlecht höre, werde schnell sozial abgekoppelt, vor allem im Alter. „Darum verbinden wir sozialwissenschaftliche Fragen mit der Hörforschung.“

Deutlich wird, was die Universität unter dem Motto „Offen für neue Wege“ versteht, dem Claim für das Jubiläumsjahr.

Neue Lösungen für neue Probleme

So wie die Universität in der Stadt Oldenburg inzwischen tief verwurzelt ist, so pflegt sie auch intensiv ihre Verbindungen in die Region. Sichtbar wird das im Bereich der Gesundheitsversorgung, die insbesondere im ländlichen Raum immer größere Lücken aufweist. Sowohl die Zahl der Hausärztinnen und -ärzte als auch die der Fachmedizinerinnen und -mediziner geht zurück. Der Mangel wird mehr und mehr zum Problem.

Das in Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen 2012 ins Leben gerufene deutsch-niederländische Gemeinschaftsprojekt „European Medical School“ (EMS) hat vielerorts Erwartungen geweckt, die Lage zu verbessern. Die Zwischenbilanz fällt positiv aus: Bis zum Sommer 2022 haben 111 Studierende das Humanmedizin-Studium abgeschlossen, weitere 28 den englischsprachigen Masterstudiengang „Neurocognitive Psychology“ erfolgreich absolviert.

„Heute ist die Universitätsmedizin Oldenburg der erhoffte Garant für die medizinische Versorgung im Nordwesten und darüber hinaus. Unser Medizinstudium genießt einen sehr guten Ruf, längst kommen gezielt junge Menschen etwa aus Berlin oder Frankfurt zu uns“, betont Universitätspräsident Bruder. Wolle man der medizinischen Unterversorgung auf dem Land jedoch langfristig entgegenwirken, sei der weitere Ausbau der EMS unumgänglich. Auch wenn die Herausforderung groß sei. „Um sie zu bewältigen, brauchen wir die Unterstützung der Politik.“

Die Liste der Zukunftsthemen ist lang. Die Katastrophen und Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, wie schnell vermeintliche Eckpfeiler des menschlichen Zusammenlebens ins Wanken geraten. Die Rezepte von gestern helfen hier häufig nicht mehr weiter. Für neue Probleme brauche es neue Lösungen. Und bei der Suche danach agieren die Hochschulen an vorderster Front. Die EMS zeigt, dass es sich lohnt, dabei langen Atem zu entwickeln: Schon der Gründungsausschuss der Oldenburger Universität hatte sich 1971 um die Einrichtung eines Medizin-Studiengangs bemüht. Es dauerte 41 Jahre, bis es so weit war.

Mit Mut und Kreativität Richtung Zukunft

Da trifft es sich gut, dass Oldenburg deutschlandweit als Gründungshochburg und Ideenschmiede gilt – und damit als zukunftsfähig. Anfang des Jahres wurde die Universität vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit dem Gütesiegel „Gründungsradar – vorbildliche Leistungen 2022“ ausgezeichnet. In der Kategorie „Große Hochschulen“ landete sie als beste niedersächsische auf Platz sieben. Sie verzahne in außergewöhnlicher Weise ihren Schwerpunkt in Forschung und Lehre zu Fragen der Nachhaltigkeit mit der Gründungsförderung, hieß es in der Begründung.

Die Universität als Zukunftszentrum – ein schöner Gedanke. Die Oldenburger Hochschule hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten viel für die Entwicklung der Stadt und der Region getan. Es bleibt zu hoffen, dass sie auch weiterhin das für Innovationen nötige Paket aus Mut, Kreativität und dem starken Willen, unkonventionelle Wege zu gehen, schnüren wird. Und dabei auf genügend Rückendeckung zählen kann, bei der Politik und der Wirtschaft ebenso wie in der Bevölkerung. Dann kann die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden.

Zum vollständigen Interview mit Universitäts-Präsident Prof. Dr. Ralph Bruder »
 

Nach oben

Zuletzt geändert am 14. Dezember 2023