Kunstperformance von erschütternder Aktualität

06.03.2023

Kunstperformance von erschütternder Aktualität

Oldenburg. Die Kunstperformance „Muttererde“ ist das Gewinner-Projekt im Ideenwettbewerb „Geheime Räume“, den die Kulturelle Bildung und Teilhabe im Kulturbüro der Stadt Oldenburg im vergangenen Jahr ausgelobt hatte. In kongenialer Zusammenarbeit haben Helmut Feldmann (Malerei), Yvonne Franke und Sebastian Netta (Kammerkultur, Video/Inszenierung) sowie Jo Schmitt (Schauspiel) das Projekt umgesetzt. „In den intensiven und lehrreichen Prozess der Entwicklung dieses Werkes waren die vier Künstlerinnen und Künstler aktiv involviert“, berichtet Christiane Maaß vom Kulturbüro der Stadt Oldenburg. „Wir wünschen uns, dass davon ein starker Impuls für die Kulturelle Bildung und Teilhabe in Oldenburg ausgeht.“

Die Kunstperformance „Muttererde“ ist als 360-Grad-Video mit Spatial Audio auf YouTube unter dem Link https://youtu.be/nhRh2vwfBTc » zu sehen. Die Besonderheit: Die Betrachterinnen und Betrachter können den Blick- und Hörwinkel im Video selbst steuern.

Gemälde als Ausgangspunkt
Im Fokus des Gesamtkunstwerks steht das Triptychon (dreigeteiltes Gemälde) mit dem Titel „Muttererde“ des Oldenburger Künstlers und Kunstvermittlers Helmut Feldmann. Entstanden ist es 2001 aus der künstlerischen Auseinandersetzung mit den letzten Feldpostbriefen seines Großvaters Johann Feldhoff aus dem 2. Weltkrieg. „Muttererde zeigt den Menschen in seiner unverhüllten Gestalt, aus Erde kommend und wieder zu Erde werdend”, möchte Helmut Feldmann seinem Werk eine tiefe humane Bedeutung zukommen lassen. Zugleich gewinnt es vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine eine erschütternde Aktualität. „Die Auswirkungen von Krieg werden durch Kunst ein Stück weit greifbarer und fühlbar gemacht“, so Yvonne Franke. „Bei den Briefen handelt es sich um Dokumente der Zeitgeschichte mit lokalem Bezug zu Oldenburg. Hier kann die Kunst erzählen und die Ausnahmesituation und die damit verbundenen Gefühle und Zustände vermitteln.“

Triptychon im „geheimen Raum“ in Szene gesetzt
In intensiven Gesprächen mit Helmut Feldmann wurde die Intention des Gesamtkunstwerks von Yvonne Franke (Dortmund) und Sebastian Netta (Münster) als Kunstperformance erarbeitet. Die Idee, das Triptychon im Südwest-Turm der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg einmalig in einem „geheimen Raum“ auszustellen, konnte dank der freundlichen Genehmigung der Kirchengemeinde umgesetzt werden. „Den nicht öffentlich zugänglichen Südwest-Turm haben wir so belassen, wie wir ihn vorgefunden haben“, erläutert Sebastian Netta (Wald- & Wiesenkonzerte). „Lediglich Licht wurde notwendigerweise zur Inszenierung installiert und auf das Triptychon ausgerichtet.“ Yvonne Franke fügt hinzu: „Die Präsentation des Kunstwerks ist einzigartig, Vernissage und Finissage in einem Prozess und nicht wiederholbar. Das Kunstwerk fügt sich durch die durchdachte Hängung in den Turm ein, was durch die Farbharmonie des Mauerwerks mit den von Feldmann verwendeten Farben in Einklang steht.“

Schauspieler liest Feldpostbriefe
Für die Lesung der Feldpostbriefe konnte der in Oldenburg lebende Schauspieler Jo Schmitt gewonnen werden. Jo Schmitt als einziger Protagonist im Raum bringt dem Zuschauer die Intimität dieser persönlichen Briefe durch seine Umsetzung berührend nahe. Die Briefe wurden am 7. und 8. September 1942 von Johann Feldhoff nahe Noworossijsk (russische Küstenstadt am Schwarzen Meer) verfasst und per Feldpost an die Familie versendet. Am 9. September 1942 kam Johann Feldhoff ums Leben. Dies wurde der Familie in einem Brief des Kommandanten vom 10. September 1942 mitgeteilt.

Foto: Yvonne Franke
Einzigartige Inszenierung im Südwest-Turm der Lamberti-Kirche: Ein dreiteiliges Gemälde steht im Mittelpunkt der Kunstperformance „Muttererde“. Foto: Yvonne Franke