Oberbürgermeister ehrt Dr. Carolin Emcke mit Carl-von-Ossietzky-Preis

04.05.2021

Oberbürgermeister ehrt Dr. Carolin Emcke mit Carl-von-Ossietzky-Preis

Oldenburg. Ein Novum in der Geschichte des Carl-von-Ossietzky-Preises: Auch im zweiten Anlauf – im vergangenen Jahr wurde die Verleihung aufgrund der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben – konnte die Ehrung nicht als Festakt mit Publikum stattfinden. Stattdessen überreichte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann die Urkunde am Dienstag, 4. Mai, dem 83.Todestag von Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, im kleinsten Kreis und unter Einhaltung strenger Hygiene-Maßnahmen in einer Feierstunde im Alten Rathaus an die promovierte Philosophin Carolin Emcke.

Die 53-jährige Publizistin ist die mittlerweile 19. Preisträgerin. Eine unabhängige Jury hatte ihr den von der Stadt Oldenburg ausgelobten und mit 10.000 Euro dotierten Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik im Herbst 2019 zuerkannt. „Damals konnten wir nicht erahnen, wie sehr ein Virus unser Leben beeinflussen würde“, blickte Oberbürgermeister Krogmann zurück. Wie die Pandemie unsere Gesellschaft verändert hat, habe auch die Preisträgerin eindrücklich in ihrem neuesten Buch „Journal – Tagebuch in Zeiten der Pandemie“ beschrieben. „Wir merken gerade jetzt, wie verletzlich demokratische Gesellschaften sind“, sagte Krogmann. Nicht zuletzt deshalb sei die Erinnerung an den 1938 an den Folgen von in NS-Haft erlittenen Torturen verstorbenen Ossietzky und an seine Botschaft, mit Zivilcourage gegen Unrecht und Gewalt, gegen Antisemitismus und Diskriminierung aufzustehen und Freiheitsrechte zu verteidigen, noch immer aktuell und bedeutend.  

Oberbürgermeister Jürgen Krogmann gratulierte der Preisträgerin: „Mit der Verleihung ehren wir eine außergewöhnlich starke und mutige Persönlichkeit.“ Das spiegelt auch die von Krogmann verlesene Jury-Begründung wider: „Ob als Kriegsreporterin oder als Essayistin und literarische Philosophin in einer Gesellschaft im Umbruch – Carolin Emcke tritt der offenen oder versteckten Gewalt seit Jahren als engagierte Stimme der Aufklärung und Humanität entgegen. Sie lässt sich nicht einschüchtern, sondern mischt sich in den gesellschaftlichen Diskurs ein als kritische, intellektuelle Stimme gegen Hetze, Rassismus und Antisemitismus.“

Dr. Carolin Emcke legte in ihrer Dankesrede besonderes Augenmerk auf den empathischen Umgang mit der Vergangenheit. „Die historische Reflexion über den Faschismus muss Schmerz verursachen, sie muss quälende Fragen stellen, an die Strukturen und Institutionen, die die Verbrechen ermöglicht und erleichtert haben“, sagte die Preisträgerin. Sie betonte aber auch die Unterschiede zwischen faschistischer Diktatur und parlamentarischer Demokratie: „Wir sind frei, denen beizustehen, die entwertet und ausgeschlossen werden, unsere öffentliche Macht einzusetzen, um denen mehr Raum zu geben, die ihn brauchen, weil ihnen der alltägliche Rassismus, die alltägliche Ausbeutung, die Homo- und Transfeindlichkeit die Luft zum Atmen abschnürt, weil sie immer noch und immer wieder als ,nicht von hier‘, als ,bedrohlich‘, als ,nicht normale Leute‘ denunziert werden.“

Oberbürgermeister Krogmann dankte der Jury, die leider der Zeremonie ebenfalls nicht beiwohnen durfte, für ihr ausgezeichnetes Votum. Zur Jury gehörten der Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow, die Journalisten Thomas Roth, Friedrich-Wilhelm Kramer und Dr. Gunter Hofmann sowie die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Doering.

Eine weitere Urkunde nahm die Komponistin Farzia Fallah (41) entgegen. Die gebürtige Iranerin erhielt für ihre mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis verbundene und mit 3.000 Euro honorierte Auftragskomposition „The Blue Traces“ den Oldenburger Kompositionspreis für Zeitgenössische Musik. Krogmann dankte der in Köln lebenden Komponistin für ihr filigranes, sensibles Werk, das eigens zu diesem Anlass von ihr erstellt worden ist. Ein musikalischer Beirat – bestehend aus Michael Hagemeister, Eckart Beinke und Prof. Dr. Cornelia Bartsch – hatte die Empfehlung ausgesprochen, den Kompositionsauftrag an Farzia Fallah zu vergeben.

Reden und Videos im Internet
Die Rede der Preisträgerin und die Laudatio von Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, sind in Schriftform auf der Homepage des Preises unter www.ossietzky-preis.de zu finden. Die Seite enthält auch eine Video-Fassung der Rede von Dr. Carolin Emcke, ein Video-Grußwort von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann, das Video zur Auftragskomposition von Farzia Fallah sowie weitere Informationen zum Carl-von-Ossietzky-Preis zu finden.

Über Ossietzky-Preisträgerin Dr. Carolin Emcke
Die promovierte Philosophin Carolin Emcke begann 1998 ihre journalistische Laufbahn beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL und berichtete als Auslandsredakteurin bis 2006 aus vielen Krisen- und Kriegsgebieten. Darüber hinaus war sie Lehrbeauftragte an der Yale University für Politische Theorie. Von 2007 bis 2014 schrieb sie als Autorin und internationale Reporterin für die Wochenzeitung DIE ZEIT, um anschließend als freie Publizistin regelmäßig Essays, Reportagen und Kolumnen unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, El Pais und Mediapart zu veröffentlichen. Seit 2004 ist sie zudem Kuratorin und Moderatorin des monatlichen Diskussionsformats „Streitraum“ an der Schaubühne in Berlin. Carolin Emcke ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden, so auch 2016 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ihre Buchveröffentlichungen „Von den Kriegen. Briefe an Freunde“, „Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF“ „Wie wir begehren“, „Weil es sagbar ist. Zeugenschaft und Gerechtigkeit“, „Gegen den Hass“, „Ja heißt ja und ...“ sowie „Journal. Tagebuch in Zeiten der Pandemie“ wurden zum Teil in mehrere Sprachen übersetzt.

Ehrung nachgeholt: Oberbürgermeister Jürgen Krogmann gratulierte Ossietzky-Preisträgerin Carolin Emcke (rechts). Den Kompositionspreis nahm Farzia Fallah entgegen. Foto: Mohssen Assanimoghaddam
Ehrung nachgeholt: Oberbürgermeister Jürgen Krogmann gratulierte Ossietzky-Preisträgerin Carolin Emcke (rechts). Den Kompositionspreis nahm Farzia Fallah entgegen. Foto: Mohssen Assanimoghaddam