MOIN: WIRTSCHAFT

Wie Oldenburgs Wirtschaft den Fokus auf die Zukunft richtet

■ Könnte er sprechen, hätte er sicherlich viel zu erzählen, der alte Wasserturm zwischen Ziegelhof und Haarenesch. Er würde berichten über die Zeit vor hundert Jahren, als hier die Fleischwarenfabrik eröffnet wurde, die sich zur größten Europas entwickeln sollte. Über den Bombenangriff zum Ende des Zweiten Weltkriegs, der viele umliegende Gebäude zerstörte. Oder über die quälende Ungewissheit am Ende des letzten Jahrhunderts, als lange unklar blieb, was aus dem Gelände werden sollte, nachdem die Fleischproduktion an den Stadtrand verlegt worden war.

Vielleicht würde der steinerne Zeitzeuge das Gespräch auch auf die neuen Nachbarn bringen, die er rund um die Jahrtausendwende eher als erwartet begrüßen durfte. Wissenschaftliche Einrichtungen und Dienststellen der Stadtverwaltung siedelten sich ebenso an wie erste Wirtschaftsunternehmen. Gebäude wurden saniert, umgebaut, neu errichtet. Das Quartier rund um den 38 Meter hohen Bau gewann spürbar an Format. Heute bildet es unter dem Namen „Alte Fleiwa“ vor allem das Zentrum der örtlichen IT-Branche. Und die Entwicklung ist nicht beendet. Mit dem „Innovationsquartier Oldenburg“ (IQON) entsteht hier ein Ort, an dem Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Weichen für ein lebenswertes Morgen gestalten wollen.

Ein Ort im Übrigen, der auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) » markiert ist. Dabei handelt es sich um ein informelles Planungsinstrument, mit dem ganzheitlich und strategisch auf die Stadt Oldenburg der Zukunft geblickt und die zukünftige räumliche Entwicklung der Stadt vorgezeichnet wird.

■ Planspiele wie diese sind in der Huntestadt nicht außergewöhnlich. Hier treten Innovation und Tradition häufig als Partner auf. Sie geben sich gegenseitig Kraft und Energie. Ein prominentes Beispiel ist Cewe, Europas führender Fotodienstleister. Seine Wurzeln reichen bis ins Jahr 1912. Anders als die Chefs vieler Mitbewerber erkannten knapp hundert Jahre später die Manager des Oldenburger Unternehmens frühzeitig das Potenzial, das die Digitalisierung für ihre Branche mit sich bringt. Während namhafte internationale Konkurrenten an Bedeutung verloren oder ganz vom Markt verschwanden, schrieb man bei Cewe in der Folge jährlich neue Rekordzahlen. 2007 überstieg die Zahl entwickelter Digitalbilder schließlich erstmals die der auf klassischem Film aufgenommenen. Der Turnaround in Richtung Zukunft war gelungen.

Typisch Oldenburg: Chancen erkannt, Chancen analysiert, Chancen genutzt. Oder wie es über der Tür des Alten Rathauses geschrieben steht: Erst waeg’s, dann wag’s.

Aktuell sind in der Stadt mehr als 7.500 Firmen gemeldet – von Kleinstbetrieben bis zu denen mit mehreren tausend Beschäftigten. Der Anteil der Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten liegt seit Jahren konstant bei rund 96 Prozent. Eines der ältesten geht auf das Jahr 1857 zurück. Der Fuhrmann Friedrich Wilhelm Deus war der Liebe wegen nach Oldenburg gekommen und hatte hier nach der Hochzeit mit der Gastwirtstochter Johanne Gesine Pauline Pophanken einen Transportbetrieb gegründet. Heute firmiert die daraus entstandene Spedition unter einer Adresse im Stadtteil Tweelbäke, die an ihren Gründer erinnert – in der Friedrich-Wilhelm-Deus-Straße.

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Zuletzt geändert am 26. Februar 2025