Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2025 geht an Eva Kranenburg

17.11.2025

Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2025 geht an Eva Kranenburg

Oldenburg. Der Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg 2025 geht an die Autorin Eva Kranenburg. Am Montagabend, 17. November, wurde sie im Alten Rathaus in Oldenburg für ihr Manuskript „Freunde“ ausgezeichnet – einen Jugendroman über vier miteinander befreundete Jugendliche in einer vom Krieg zerstörten fiktiven Stadt. „‚Freunde‘ handelt von der Unmenschlichkeit des Krieges – und ist trotzdem ein großartiges Plädoyer für die Menschlichkeit“, so die Jury in ihrer Begründung zur Preisvergabe. Während Kranenburg das Manuskript eingereicht hatte, ist inzwischen bereits dessen Veröffentlichung geplant: im März 2026 bei Fischer Sauerländer.

Verleihung bot Einblicke in alle nominierten Werke
Die nominierten Autorinnen Jenny Hungerbühler, Heike Falkenberg und Eva Kranenburg wurden während der Preisverleihung vorgestellt und lasen einen kurzen, selbstgewählten Abschnitt aus ihren Werken. Begleitet wurden sie bei ihrer jeweiligen Präsentation von einem als Patin oder Pate fungierenden Mitglied der Jury. Das Publikum konnte die Autorinnen somit auf gelungene und sympathische Weise näher kennenlernen und einen Einblick in ihre Werke erhalten. Bürgermeisterin Petra Averbeck verkündete anschließend die Preisträgerin, gefolgt von der Laudatio, die der Kinderbuchautor und -illustrator Vitali Konstantinov hielt – selbst Preisträger des diesjährigen Deutschen Kinderbuchpreises für „Geniale Augen“ (gemeinsam mit der Autorin Lena Anlauf). Der Festakt wurde moderiert von Jurymitglied Christine Paxmann und musikalisch begleitet von Jurek Gronau von der städtischen Musikschule.

Jury: Das Werk liefere „ein tiefes Verständnis für die Protagonisten im Ausnahmezustand der Krise“
Jurymitglied Dr. Tobias Kurwinkel war Pate der Preisträgerin und erklärte: „Eine Stadt, deren Fiktivität in dieser Zeit an so vielen Orten Realität ist: Gezeichnet vom Krieg und seinen Folgen liegen die Gebäude in Trümmern, die Straßen sind unbefahrbar, und die Menschen — Kinder und Jugendliche, deren Eltern gefallen sind — kämpfen traumatisiert um ihr Überleben. Die Sprache dieser Erzählung ist einfach, zugleich überzeugen ihre Bilder durch ein hohes Maß an Komplexität, deren Ausdeutung ein tiefes Verständnis für die Protagonisten offenbart – nicht nur im Ausnahmezustand der Krise und der damit verbundenen Verletzungen und Traumata, sondern ebenso für ihre Kindlichkeit und Jugend. Dabei gelingt es der Autorin, jede Figur individuell zu fassen, das Spezifische herauszuarbeiten, die Charaktere ihrer Figuren für die Lesenden plastisch werden zu lassen. Eva Kranenburg hat ein eindringliches Buch geschrieben, das Fragen stellt: Kann man den Hass auf ein Volk überwinden, gegen das man kämpft? Kann man lieben, wenn man Missbrauch, Gewalt erlebt, wenn man erfahren hat, wozu der Mensch fähig ist? Und kann man im Krieg moralisch bleiben?“

Laudator Vitali Konstantinov: „Verfilmungsreife Antikriegsgeschichte und ein starker Coming-of-Age-Roman“
Vitali Konstantinov zeigte sich in seiner Preisrede tief bewegt von Eva Kranenburgs Jugendroman: „Eva Kranenburg erzählt uns in klarer Sprache eine verfilmungsreife Antikriegsgeschichte, die die grausame Realität offen zeigt, nichts beschönigt und sich trotzdem perfekt in den Rahmen des Genres einfügt. Es ist ein starker Coming-of-Age-Roman, wo neben den bis zu Unerträglichkeit ernsten Themen auch Abenteuer, Witz und große Gefühle ihren Platz finden. Die Erzählung bleibt fließend und unterhaltsam, bietet dabei aber genug philosophische Gedanken- und Gesprächsanlässe über solch fundamentale Fragen wie Verantwortung und ihre Übernahme, Menschlichkeit, Entmenschlichung des Feindes und so weiter. Die Figuren der Freunde sind lebendige, komplexe Charaktere, die auch für die Leserinnen und Leser wahre Freunde werden können. Die Szenerie ist weder geografisch noch zeitlich festgelegt. Sie vereint Merkmale vergangener sowie aktueller Konflikte und bekommt dadurch ein universelles, dystopisches und warnendes Ausmaß. Diesen Kriegsschauplatz kann es überall und jederzeit geben.“

Über Eva Kranenburg und das Manuskript „Freunde“
Eva Kranenburg war 2013/2014 Stipendiatin der Münchner Drehbuchwerkstatt und erhielt im Anschluss daran für „Die denkwürdigen Erlebnisse meines Vaters“ den Tankred Dorst-Preis für ein herausragendes Drehbuch. Sie ist Autorin der von Netflix und ZDF produzierten Serie „Parfum“. Eva Kranenburg ist zudem Psycho- und Traumatherapeutin, sie arbeitet mit Geflüchteten aus Afghanistan, Syrien, dem Iran, Irak und der Ukraine. Für das Buchprojekt „Freunde“ erhielt sie 2024 bereits den Förderpreis der Mitteldeutschen Medienförderung

„Freunde“ ist ein Roman über vier junge Menschen. Aus Angst, in den letzten Kriegstagen noch an die Front geschickt zu werden, verstecken sie sich und werden eine Art Familie füreinander. Als der sechszehnjährige kluge und hochmanipulative Joschi zu der Gruppe stößt und ihre Einheit bedroht, wird die Frage nach der Moral zu einer nach Leben und Tod. Die Autorin erzählt ehrlich bis an die Schmerzgrenze. Ihre Figuren schreiben sich tief ins Herz der Lesenden und berühren durch die unerschütterliche Freundschaft zueinander.

Jurymitglied Christine Paxmann über den Auswahlprozess und die Nominierten
Unter den eingereichten Büchern und Manuskripten war in diesem Jahr ein Trend festzustellen, sagt Christine Paxmann: „Knapp 200 Einsendungen haben uns dieses Jahr erreicht, das war vergleichbar mit den Vorjahren. Ganz besonders auffällig aber waren die vielen Jugendbücher, die sich mit den Themen der Zeit beschäftigen: Fluchterfahrung, Integration, Krieg und Identität. Dabei wurden neben autofiktionalen Narrativen viele Erzählformen mit großer kreativer und dramaturgischer Tiefe gewählt. Tatsächlich fiel uns die Entscheidung nicht ganz leicht bei der Anzahl der Finalisten. Denn das Niveau und auch die Relevanz der Themen haben uns Jurymitglieder in vielen Fällen überzeugt. Alle drei Nominierten sind Entdeckungen die, wie wir finden, dem Oldenburger Kinder- und Jugendliteraturpreis gerecht werden.“

Aus insgesamt 195 eingereichten Erstlingswerken – darunter 137 Manuskripte und 58 bereits verlegte Bücher – hatte die Jury zunächst drei Manuskripte ausgewählt: Nominiert waren neben Eva Kranenburg ebenfalls Jenny Hungerbühler mit ihrem Jugendbuch „ANGUS“ und Heike Falkenberg mit ihrem Jugendbuch „Irgendwie lief fast alles. Schief.“

Über die Jury
Die Mitglieder der diesjährigen Jury sind Prof. Dr. Tobias Kurwinkel (Professor für Neuere Deutsche Literatur, insbesondere Literatur und Kinder- und Jugendkulturen, Universität Hamburg), Christine Paxmann (Herausgeberin der Fachzeitschrift Eselsohr und Autorin), Birgit Müller-Bardorff (Redakteurin der Augsburger Allgemeinen), Markus Lefrançois (Illustrator) und Johanne Goldenstein (Schülerin des Lothar-Meyer-Gymnasiums in Varel).

Über den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg
Die Stadt Oldenburg vergibt den Preis für herausragende literarische und künstlerische Leistungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur bereits seit 1977. Als Förderpreis dient er dem Ansporn und der Ermutigung von Autorinnen und Autoren beziehungsweise Illustratorinnen und Illustratoren, die ein Erstlingswerk – sei es ein bereits verlegtes Buch oder ein Manuskript – in diesem Bereich vorlegen. Durch den Preis sollen innovative Ideen eine Chance erhalten und Anreize geschaffen werden, die Werke Unbekannter in die Verlagsprogramme aufzunehmen.

Foto: Mohssen Assanimoghaddam
Preisträgerin Eva Kranenburg (links) mit Bürgermeisterin Petra Averbeck. Foto: Mohssen Assanimoghaddam