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Innovationen und Investitionen sind die Grundsteine für Optimismus in der Wirtschaft. Drei Oldenburger Unternehmen zeigen, warum ihnen die wirtschaftliche Lage nicht die Stimmung verhagelt.

Gegen den Trend – Optimismus in der Wirtschaft

Ein Krankenhaus irgendwo in der Welt. Eine OP steht an. Das Knie der Patientin ist kaputt, mehrere Bänder sind gerissen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass das Nahtmaterial auf einer 
aus unserem Unternehmen stammenden Maschine geflochten wird, ist groß“, sagt Dennis Behnken, seit Ende 2019 Geschäftsführer der Herzog GmbH in Oldenburg. Seine Mutmaßung ist nicht zu hoch gegriffen: Der Spezialist für Flecht- und Spulmaschinen gilt als internationaler Markt- und Technologieführer.

Die Medizintechnik ist nur einer von vielen Bereichen, in denen das Know-how aus dem Oldenburger Stadtnorden gefragt ist. So hängt etwa das Leben von Kletterprofis, Fallschirmspringerinnen und -springern von zug- und reißfesten Seilen ab. In Fischerei, Seefahrt und im Offshore-Bereich werden Geflechte benötigt, die den Naturgewalten standhalten. „Dazu stecken in jedem Auto rund drei Kilometer Geflecht“, rechnet Behnken vor. Und fährt fort: „Es ist wichtig, dass wir breit aufgestellt und nicht von einer einzelnen Branche abhängig sind.“ Das sei man letztlich auch der Tradition des Familienunternehmens schuldig.

Um die Zukunft ist es Behnken nicht bange. „Geflechte werden immer benötigt“, betont er. Und das traditionsreiche Unternehmen hat auf dem Markt weiterhin gute Karten. 2024 wurden für mehr als zwei Millionen Euro neue Werkzeugmaschinen angeschafft, fünfzehn Mitarbeitende tüfteln im Entwicklungsteam an Lösungen. Ein Ergebnis dieses intensiven Prozesses steht in der Fabrikationshalle: ein Flügelrad der größten Flechtmaschine der Welt. Durchmesser: zwei Meter.

Im Oktober werden die Neuentwicklungen auf einer Hausmesse vorgestellt. „Da erfahren wir, was die Kunden dazu sagen.“ Die enge Zusammenarbeit mit den Auftraggebern sieht Behnken als ein Erfolgsgeheimnis an: „Wir kennen ihre Herausforderungen und helfen ihnen, sie zu meistern.“ Darauf, dass sein rund 150-köpfiges Team mitzieht, kann er sich verlassen. Noch in diesem Jahr soll die Sanierung eines Bürogebäudes beginnen, um mehr Platz für die Montage zu schaffen. „Ein wichtiges Signal für alle“, sagt der 47-Jährige.

Mut zum Risiko

Neu gebaut hat Thomas Schoon. Im vergangenen September bezog er den neuen Firmensitz seines Haustechnikunternehmens. Auch die ebenfalls von ihm geführte Ender & Panneitz Heizung-Sanitär GmbH hat in dem schmucken Gebäude Platz gefunden. Der Grund für all den Aufwand sei ganz einfach, sagt der 52-Jährige: „Wir brauchen mehr Platz!“ Auf Vermittlung der Wirtschaftsförderung fand sich ein freies Gelände im Gewerbegebiet Tweelbäke, dem Schoon damit treu bleiben konnte: Von der Straße Im Kleigrund ging es einen Kilometer weiter in die Nähe des Kreisverkehrs der Gerhard-Stalling-Straße in Richtung der Straße Am Bahndamm.

Schoon hat sich Neubau und Umzug eigenen Angaben zufolge rund drei bis dreieinhalb Millionen Euro kosten lassen. „Durchweg privat finanziert!“, bekräftigt der Firmenchef. Dafür, in einer Zeit zu investieren, in der andere Untenehmer sich in dieser Hinsicht eher zurückhalten, hat er einen guten Grund: „Ich bin grundsätzlich Optimist und felsenfest von unserem Gewerbe überzeugt. Auf uns kann man nicht verzichten.“ Zurückhaltung komme für ihn deshalb nicht infrage, jammern und klagen sieht der 52-Jährige nicht als Alternative.

Antizyklisch – also gegen den Trend und oft auch gegen die Stimmung – zu investieren, liegt nicht jedem Unternehmen. Gerade im Mittelstand tut man sich damit häufig schwer. Um Liquiditätsengpässen vorzubeugen, wird das Geld lieber zusammengehalten. Wer es dennoch wie Thomas Schoon macht, beweist Mut zu unternehmerischem Risiko. Und Weitblick. Denn er oder sie ist dann, wenn der Markt wieder anzieht, bereits darauf vorbereitet. Zudem hilft es, den Standort zu stärken, und sendet mit seinem Engagement ein deutliches Zeichen an die Mitarbeitenden: „Wir glauben an die Zukunft!“

Wechsel der Perspektive

Als Paradebeispiel für eine couragierte Grundsatzentscheidung zur rechten Zeit wird gern der Fall des Oldenburger Unternehmens Cewe zitiert. Die Mitte der 1990er-Jahre beschlossene konsequente Umstellung auf digitalen Bilderservice erwies sich für den renommierten Fotodienstleister rückblickend als goldrichtig. Internationale und nicht minder traditionsreiche Großkonzerne wie etwa der amerikanische Branchenriese Kodak verschliefen hingegen die Entwicklung und büßten an Bedeutung ein. Einige kamen nicht um ein Insolvenzverfahren umhin.

Cewe gibt sich weiterhin nicht mit dem Status als führender Fotoservice zufrieden. Das wurde zuletzt deutlich bei den Innovation Days, einer Art internem Think Tank. Rund eintausend Mitarbeitende aus ganz Europa trafen sich Mitte Februar in der Weser-Ems-Halle, um neue Produkte und Prozesse zu diskutieren. „Dieses jährliche Event ist repräsentativ für unsere Unternehmenskultur“, betont Marketingleiter Simon Droste. „Wir legen großen Wert auf die Ideen unserer Mitarbeitenden und sprechen von 4.000 Innovationstreibenden, die im Unternehmen tätig sind.“ Entwicklungen wie die neue Panoramaseite im Cewe-Foto- buch seien direkt aus diesem Kreis gekommen.

Nach oben

Auch Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Forschungsfeld. Dazu wurde mit dem von Dr. Philipp Sandhaus geleiteten MAIC (Mobile & Artificial Intelligence Campus) 2019 eine KI-Forschungsabteilung gegründet. Die im Technologie- und Gründerzentrum ansässige Einheit erforscht abseits vom Tagesgeschäft und mit Partnern aus der Forschung die Anwendung von KI-Technologien. „Wir sehen KI als zusätzliches Tool, das den Kundinnen und Kunden zugutekommen kann“, sagt Simon Droste und nennt Beispiele aus der Fotobuchgestaltung: „KI kann sie etwa mit Designvorschlägen erleichtern oder den optimalen Ausschnitt eines Bildes wählen.“

Transformationsprozesse sind für Cewe nichts Neues. Mit dem Wandel in der Branche hat das Unternehmen vom Meerweg nicht nur Erfahrungen gesammelt, sondern sie an wesentlichen Stellen auch mit vorangetrieben. Letzteres gehört zu den Prinzipien des Hauses, bestätigt Marketeer Droste. Dafür sei es wichtig, Veränderungen als Chance zu sehen. Cyriel Kortleven, international anerkannter Experte für Change Management, brachte es bei den Innovation Days auf den Punkt: „Don’t mind the change, change your mind.“ Oder auch: Wenn man vor Herausforderungen steht, hilft es oft, die Perspektive zu wechseln und die Dinge auf andere Weise zu betrachten.

Zuletzt geändert am 19. Mai 2025