Übergreifende Handlungsempfehlungen

Kommunaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen* und Häusliche Gewalt

In diesem Teil werden Handlungsempfehlungen gegeben, die sowohl für den Themenschwerpunkt „Gewalt gegen Frauen*“ als auch „Häusliche Gewalt“ relevant sind. Einige der Empfehlungen sind in der konkreten Umsetzung miteinander kombinierbar.

Förderung von Schutz- und Gewaltberatungsstellen

Für alle Schutz- und Fachberatungsstellen spielt die Finanzierung der Einrichtungen eine wichtige Rolle. Alle finanzieren sich über verschiedene „Töpfe“: Landesmittel, freiwillige Leistungen und Pflichtleistungen der Kommunen, Spenden und Bußgelder. Diese Mischfinanzierung ist nur bedingt planbar und erfordert durch die wiederkehrende Antragsstellung erhebliche Zeit- und Personalressourcen. Eine weitere Einnahmequelle sind kostenpflichtige Fortbildungen, die einige Fachberatungsstellen beispielsweise für Jugendhilfeeinrichtungen und Kitas anbieten. Allerdings ergibt sich das Dilemma, dass letztere nur ein begrenztes Fortbildungsbudget für ihre Mitarbeiter*innen haben und deshalb dieses Angebot nicht regelmäßig nutzen können. Daraus folgt, dass nicht nur die Finanzierung der Schutz- und Fachberatungsstellen erhöht werden muss, sondern darüber hinaus sollte auch das Fortbildungsbudget für pädagogische Einrichtungen erhöht werden. Grundsätzlich braucht es mehr Personal, um dem Bedarf und der Nachfrage gerecht zu werden. Eine verbesserte und vertraglich abgesicherte Finanzierung der Schutz und Fachberatungsstellen wird empfohlen, um den Vorgaben der Istanbul-Konvention gerecht zu werden.

Koordinierungs- und Beratungsstelle gegen geschlechtsspezifische Gewalt

Zur Steuerung der Maßnahmen, die im vorliegenden Aktionsplan vorgeschlagen werden, wird empfohlen, eine Koordinierungs- und Beratungsstelle gegen geschlechtsspezifische Gewalt einzurichten. Die Einrichtung und Besetzung dieser Stelle wurde im September 2021 realisiert. Ihre Aufgaben sind:

  • Die Überwachung der Umsetzung des Kommunalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen* und Häusliche Gewalt
  • Konzeptionierung von Informationsmaterialien und Kampagnen
  • Konzeptionierung und/oder Organisation von regelmäßigen Fort- und Weiterbildungsangeboten
  • Organisation eines jährlichen Fachtages
  • Mitwirkung bei der Konzeptionierung des Oranje Huis (siehe Teil Häusliche Gewalt)
  • Dokumentation
  • und weiteres

Frauen*beratungszentrum

Die Stadt Oldenburg verfügt über ein umfangreiches Beratungs- und Unterstützungsangebot, gleichzeitig ist deutlich, dass nicht alle Problemstellungen vollumfänglich abgedeckt werden können. Die vorhandenen personellen Kapazitäten sind nicht ausreichend, um den Beratungs- und den Präventionsbedarf zu bearbeiten.

Darüber hinaus zeigen Studienergebnisse, dass von Häuslicher Gewalt betroffene Frauen* nur unzureichend über das bestehende Unterstützungssystem Kenntnis haben. Insbesondere Frauen* mit kognitiven Beeinträchtigungen oder Frauen* mit Migrationshintergrund verfügen über einen geringen Informationsgrad.

Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, ein zentral gelegenes Frauen*beratungszentrum unter Beteiligung der bestehenden Beratungseinrichtungen zu konzipieren und aufzubauen.

Frauen*notruf

Nach schweren Gewalttaten wie beispielsweise einer Vergewaltigung brauchen Frauen* schnelle psychosoziale Unterstützung. Dafür sollte ein Notruf, der sowohl telefonisch als auch online eine hohe Erreichbarkeit gewährleistet, eingerichtet werden.

Mobiles Beratungsangebot für Fachkräfte vor Ort zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung

Das Miterleben Häuslicher Gewalt oder selbst von sexualisierter Gewalt betroffen zu sein, stellt für Mädchen* und Jungen* eine Kindeswohlgefährdung dar. Fachkräfte in Schulen und Kitas, die diesen Zusammenhang erkennen, benötigen schnelle und niedrigschwellige Fall- und Fachberatung durch eine insoweit erfahrende Fachkraft (Fachberatung gemäß §8a/8b SGBVIII zur Einschätzung von Kindes- und Jugendwohlgefährdung). Die im Amt für Jugend und Familie angesiedelte Fachberatung bei sexueller Kindesmisshandlung bietet diese Beratungen auch vor Ort, also in Schule oder Kita, an. Den Fachberatungsstellen ist aus Gründen der Kapazität eine Beratung vor Ort nicht möglich.

Umgekehrt ist es den Erzieher*innen oder Lehrkräften oft nicht möglich, mit mehreren Personen in die Fachberatungsstellen zu kommen. Gleichzeitig ist eine niedrigschwellige Beratung vor Ort sowohl für die Fachkräfte als auch für die von mittel- oder unmittelbar von Gewalt Betroffenen unabdingbar, um frühzeitig intervenieren zu können und langfristig die Kosten zu minimieren.

Projektentwicklung „Männer* gegen Männer*gewalt“

Gewalt gegen Frauen* geht überwiegend von Männern* aus. Gleichzeitig ist es wichtig festzuhalten, dass die Mehrheit der Männer* keine Gewalttäter* sind. Diese Mehrheit kann Vorbild sein und sich für Veränderungen und für die Gleichstellung von Frauen* und Männern* einsetzen. Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, ein langfristiges Projekt zu entwickeln, das Männer* als Bündnispartner* gegen Gewalt an Frauen* adressiert.

Beteiligung am Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ auf Landesebene

Die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen unterhalten das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“. Männer*, die Gewalt egal in welchem Kontext (Kindheit, im öffentlichen Raum, in der Partnerschaft unter anderem) oder in welcher Form  (Sexualisierte Gewalt, Zwangsheirat, Stalking unter anderem) erlebt haben oder erleben, werden sowohl telefonisch zu festgelegten Sprechzeiten als auch online beraten. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass das Land Niedersachsen sich diesem Hilfetelefon anschließt.

Gleichstellungspreis

Der beste Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt wird durch die tatsächliche Umsetzung der Gleichstellung erreicht. Es wird empfohlen, einen kommunalen Preis für Projekte, Aktionen und Kampagnen auszuloben, der alle zwei bis drei Jahre vergeben wird. Unternehmen, Wohlfahrtsverbände, Kitas, Schulen, Vereine, Beratungsstellen und andere, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter besonders einsetzen und als Vorbild dienen, können sich bewerben.

Mit diesem Preis wird symbolisiert und noch einmal unterstrichen, dass ungleiche Machtverhältnisse und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen* und Häusliche Gewalt gesamtgesellschaftliche Probleme sind und nur gemeinsam gelöst werden können.

Zuletzt geändert am 19. April 2024