Mitschrift zur Podcast Episode 1
Jubiläumsaktion 15 Jahre Integrationspreis
Claudia Wronna: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „hörbar vielfältig“, den wir anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Integrationspreises der Stadt Oldenburg aufgenommen haben. In den 15 Jahren sind zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen mit diesem Preis ausgezeichnet und gewürdigt worden und wir wollen euch eine große Anzahl davon vorstellen. Wir haben nachgefragt, wofür sie damals den Integrationspreis gewonnen haben, was für besondere Erlebnisse bei Ihnen hängengeblieben sind und wie es ihnen heute geht. Wenn euch also interessiert, was Oldenburg zwischen 2010 und 2025 an Projekten ausgemacht hat, die sich für Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie für solidarisches Miteinander einsetzen, dann horcht rein in die jeweils circa zehn minütigen Podcasts von „hörbar vielfältig.“ Viel Spaß dabei.
Claudia Wronna: Ja, hallo und herzlich willkommen. Heute habe ich hier bei mir Anne Meyer von der IGS Flötenteich und Janno Meyer von der Grundschule Nadorst zu Gast. Ihr habt 2015 den Integrationspreis für das Projekt Open Sunday gewonnen. Erzählt doch mal, worum ging es bei diesem Projekt? Womit habt ihr euch da genau beworben? Und gab es da auch besondere Erlebnisse, von dem ihr gern berichten möchtet?
Anne Meyer: Ja. 2015 haben wir damit angefangen, dass wir bei uns im benachteiligten Wohnraum gesagt haben, wir öffnen die Sporthalle am Sonntag, weil die Schulsporthallen sind sonntags immer geschlossen. Und dann haben wir gesagt, wir wollen mit Jugendlichen zusammen da ein Sportprogramm / Bewegungsprogramm machen, was ganz offen ist für alle Kinder aus dem Stadtteil von Klasse eins bis einschließlich Klasse sechs. Und dann haben wir die Sporthalle an der Grundschule Nadorst bekommen und haben da gestartet und haben mit den mit Jugendlichen von der IGS Flötenteich dort ein Nachmittagsprogramm von 14:00 Uhr bis circa 17:00 Uhr gestaltet und die Jugendlichen haben eine große Bewegungslandschaft aufgebaut und da konnten die Kinder also dann frei klettern, schwingen, toben, Fußballspielen. Und wir haben dann im Laufe der Zeit angefangen, auch Themensonntage zu machen. Zum Beispiel haben wir mal den Bereich Bewegung auf Rollen, dann haben wir Fahrradparcours gemacht, wir haben einen Zirkusnachmittag gemacht und so weiter. Und diese Vielfalt an Angeboten ist auf große, große Resonanz gestoßen. Also wir hatten dann sehr viele Kinder in dieser kleinen Halle. 80 bis 90 Kinder an den Sonntagen. Und da waren dann die Jugendlichen, das waren meistens fünf Jugendliche, die da mit eingesetzt waren. Da waren wir sehr eingespannt. Und dann haben wir gemerkt, wir müssen noch weitere Hallen uns nutzen, sonst wird das hier zu eng.
Claudia Wronna: Toll. Und du hattest es eben schon so ein bisschen angedeutet: auch Zirkus spielte eine Rolle. Das ist ja ein wichtiger Kooperationspartner des Projektes, nämlich die Zirkusschule Seifenblase. Also ihr zusammen habt damals diesen Antrag gestellt, die IGS Flötenteich, die Zirkusschule Seifenblase und heute eben auch noch ein wichtiger Kooperationspartner die Grundschule Nadorst. Das sind so die Hauptinstitutionen, Hauptakteure bei Open Sunday. Und Open Sunday bedeutet jeden Sonntag sind diese Angebote dort?
Anne Meyer: Ja, und zwar in den Wintermonaten. Und zwar haben wir bis 2015 von Oktober bis einschließlich März und jetzt haben wir aufgrund davon, dass wir die Kapazitäten einfach so nicht mehr haben, haben wir das jetzt von Oktober bis einschließlich Dezember.
Claudia Wronna: Toll! Welche besonderen Erlebnisse sind euch in Erinnerung geblieben von den Open Sundays? Gab es da irgendwas, worüber ihr berichten könnt?
Janno Meyer: Ja, also natürlich ist jeder Open Sunday ein ganz besonderes Erlebnis für uns. Aber für mich war es immer besonders interessant, so die persönliche und soziale Entwicklung von den Kindern zu beobachten, wo sich oft echt hervorragende Sachen einstellen nach einem Besuch irgendwie. Und zwar schaffen wir es immer auch Kinder wieder einzubinden, die vielleicht andere Kinder stören oder nerven oder ärgern. Dadurch, dass wir ihnen Verantwortung zuschreiben. Wenn also ein Kind zum Beispiel bei der Trampolinstation andere Kinder ärgert, dann machen wir das auch oft so, dass wir das Kind bitten, jetzt einmal Aufsicht zu führen über die Trampolinstation. Und die Kinder fühlen sich dadurch immer irgendwie sehr bestärkt. Nicht in ihrem negativen Verhalten, sondern in ihrer sozialen Kompetenz auch. Und der Glaube an ihre soziale Kompetenz erstreckt sich dann direkt auf die ganze Station. Und die Kinder sind mit ganz viel Begeisterung dabei und schaffen Schutzräume für andere Kinder. Also das finde ich immer sehr besonders. Und auch die Verantwortung schaffen wir auch so abzugeben, dass wir versuchen, die Kinder Konflikte selber lösen zu lassen. Also wir führen ja die ganze Zeit Aufsicht und oft kommen Kinder zu uns und beschweren sich über etwas oder erzählen von einem Konflikt, den sie mit einem anderen Kind hatten. Und wir versuchen eben oft dann zu sagen Versuch mal das selber zu klären, zeig deine Grenzen auf, sag, was dich gestört hat und bitte das Kind um eine Entschuldigung. Und dann schaffen es die Kinder selber oft einfach von ganz alleine wieder zurück zur Situation zu kehren und zu sagen „Hey, da hast du gerade meine Grenze überschritten. Damit war ich nicht einverstanden.“ Und wenn das so offen, ehrlich, authentisch kommuniziert wird, ist es eigentlich auch immer so, dass die anderen Kinder darauf dann immer sehr angemessen reagieren. Also das ist für mich immer sehr besonders zu sehen, wie viel Verantwortung in den Kindern schon steckt. Man muss nur den Kindern helfen, diese auch zu finden.
Claudia Wronna: Schön. Welche Zielgruppe habt ihr denn? Kann jeder zu euch kommen?
Janno Meyer: Also zum Open Sunday dürfen Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren kommen und die Gruppe, die wir haben, ist immer sehr heterogen. Wir haben Kinder mit Einschränkungen, Kinder ohne Einschränkung. Wir haben Kinder verschiedenster Herkünfte und wie gesagt, 6 bis 12 Jahre. Wenn aber jetzt zum Beispiel uns ein Kind fragt es hat ein Geschwisterkind, was gerne mal mitspielen wollen würde, es ist aber erst fünf oder vier Jahre alt, sagen wir auch oft: „Ja klar, du kannst dein Geschwisterkind mitnehmen“, bitten dann aber oft die Familie selber darum, da mit Verantwortung zu übernehmen, weil das können wir nicht immer garantieren.
Anne Meyer: Und dadurch, dass das ein kostenloses Angebot ist für die Kinder, erreichen wir natürlich viele Kinder und auch Eltern, die das wirklich wertschätzen, dass es Möglichkeiten gibt, dass die Kinder zu uns kommen können. Und auch haben wir schon Erfahrungen mit Kindern mit Beeinträchtigungen, zum Beispiel auch Kinder mit Downsyndrom, wo uns auch da die Eltern schon rückgemeldet haben, dass sie so froh sind, dass es so etwas gibt. Weil es ist für sie das einzige Angebot, was sie haben, wo sie ihr Kind nicht anmelden müssen und dann immer selbst die Verantwortung haben, sondern dass das da eben gut aufgehoben wird, weil die jugendlichen Coaches so gut dabei sind.
Und dann zu der Zielgruppe würde ich nämlich da auch noch dazunehmen: Janno hatte eben auf die Kinder hingewiesen, aber als Lehrkraft sehe ich das so, dass die Zielgruppe der Jugendlichen mir ganz wichtig ist, weil 2015, als wir angefangen haben, dann war ja die Flüchtlingswelle. Und dann haben wir gemerkt, dass wir mit älteren Jugendlichen, die Migrationshintergrund haben, dass wir die so gut einbinden können und das Potenzial, das haben wir nutzen können, weil die haben einfach so einen guten Draht schnell bekommen zu den Kindern. Da war auf Augenhöhe mehr Vertrauen. Und wir haben dann auch Flüchtlingskinder aus aus Blankenburg, aus dem aus der...
Claudia Wronna: …Erstaufnahmeunterkunft…
Anne Meyer: …Erstaufnahme geholt. Und das Schöne ist als Erlebnis auch: ein Kind, was wir aus der Erstaufnahme damals geholt haben mit den Geschwistern und Unterstützung durch die Eltern, ist mittlerweile immer noch Coach jetzt bei uns im Open Sunday. Also das Mädchen ist richtig hochgewachsen. Also als Flüchtlingskind zu uns gekommen, dann in der Grundschule immer mitgemacht und dann an die IGS und dann in der IGS Coach geworden. Und ja, das finde ich auch sehr schön zu sehen, wie Jugendliche auch da an diesem Projekt Selbstwirksamkeitserfahrung haben. Und ja, das bestärkt einfach Jugendliche und das finde ich daran schön.
Janno Meyer: Ja, und wir sind mittlerweile auch ganz klar angewiesen auf diese Jugendlichen. Es gibt viele Konflikte, die wir gar nicht klären können ohne die. Also das finde ich auch noch mal sehr wichtig.
Claudia Wronna: Genau und dass es diese Coaches gibt. Der Hintergrund ist ja auch, dass das Projekt eben so gedacht ist, dass die Eltern nicht dabei bleiben. Also sie werden schon gebeten zu gehen, so dass die Kinder da einen eigenen Raum für sich haben, wo sie dann auch spielen können, ihre Sozialkontakte eben selber, wie du auch sagtest, ausfechten können und führen können. Und die Coaches, die auch oft Migrationshintergrund haben, die machen das offensichtlich ganz wunderbar. Was wäre euer Wunsch für die Zukunft? Habt ihr etwas, was ihr gerne noch loswerden möchtet?
Janno Meyer: Ich glaube, wir würden das Projekt generell in der Zukunft versuchen so aufzuspannen, dass es eben auch außer diesen paar Monaten stattfinden kann, außer der Herbst- und Wintersaison. Und nicht nur, dass wir das zeitlich für die Zielgruppe noch umändern, sondern dass wir es auch schaffen, andere Zielgruppen mit zu integrieren. Nicht nur Kinder im Alter von 6 bis 12 sind von Bewegungsmangel getroffen, sondern auch ältere Kinder, Jugendliche und natürlich auch Erwachsene. Und das ist so ein bisschen Ziel, das Ganze mehr aufzufächern, um für alle Zielgruppen präsenter sein zu können und allen eine Möglichkeit zu bieten, teilzunehmen.
Anne Meyer: Ja, und für die Zukunft würden wir uns wünschen, dass wir noch mehr Kooperationspartner, Vereine mit ins Boot holen können und dass die sich öffnen nicht für feste Angebote wie zum Beispiel jetzt spielen wir Fußball oder der Basketball Verein. Sondern wir brauchen für Kinder und Jugendliche mehr Angebote, die eine große Offenheit haben, also größere Spielräume für eigene Bedürfnisse, für Mitgestaltung und Partizipation. Und das ist beim Open Sunday. Es ist so offen. Jedes Kind kann selber gucken, ob es jetzt Lust hat, irgendwie mitzumachen oder lieber in der Malecke sich befindet oder, oder. Und das brauchen wir, um Kinder, die vermeintlich Unerreichbaren, die kriegen wir nämlich. Wir holen die weg aus dem Sofa, von zu Hause, vom Bildschirm, die kommen zu uns. Und deshalb brauchen wir da mehr Vereine, mehr soziale Einrichtungen, die sich öffnen für Vielfalt und ein offenes Programm.
Claudia Wronna: Wenn man sich jetzt an euch wenden möchte, entweder als Teilnehmer oder eben auch als Kooperationspartner, wo findet man euch, wie kann man Kontakt aufnehmen?
Anne Meyer: Ja, also auf unseren Homepages von den Schulen und auch bei der Zirkusschule Seifenblase und da sind wir drei, also Ines Rosemann von der Zirkusschule, ich, Anne Meyer von der IGS Flötenteich, Janno Grundschule. Wir sind da die Ansprechpartner und würden freuen uns über jegliche Unterstützung. Wir haben auch schon mal hier in Oldenburg mit der Ehrenamtsagentur Unterstützung bekommen, weil wir auch beim Open Sunday immer eine gemeinsame Pause machen. Die gesunde Pause. Das ist auch kostenlos für die Kinder. Und dann brauchen wir immer Eltern oder noch Jugendliche, die helfen, schnippeln usw. Also da gibt es Bewegung, aber es gibt auch Essen und es gibt auch Lesen und Malen. Es gibt so viele Möglichkeiten, wo jede Hand die mit anfassen kann - da freuen wir uns drüber.
Claudie Wronna: Herzlichen Dank! Das war sehr informativ und ich bin mir sicher, es werden sich einige Leute bei euch melden. Schön, dass ihr da wart. Danke.
Janno Meyer: Danke sehr.
Anne Meyer: Ja, danke auch.
Claudia Wronna: Dies war ein Podcast aus der Reihe „hörbar vielfältig.“ Dies ist ein Projekt des Fachdienstes Integration im Amt für Zuwanderung und Integration der Stadt Oldenburg. Aufnehmen durften wir den Podcast in der Freizeitstätte Bürgerfelde und bedanken uns insbesondere bei Nils Naumann und Felix Klostermann für die technische, herzliche und vor allem unkomplizierte Unterstützung. Hört gerne noch in unsere weiteren Podcastfolgen hinein, diese findet ihr hier. »
Zuletzt geändert am 8. Juli 2025