Mitschrift zur Podcast Episode 18

Jubiläumsaktion 15 Jahre Integrationspreis

Claudia Wronna: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „hörbar vielfältig“, den wir anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Integrationspreises der Stadt Oldenburg aufgenommen haben. In den 15 Jahren sind zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen mit diesem Preis ausgezeichnet und gewürdigt worden und wir wollen euch eine große Anzahl davon vorstellen. Wir haben nachgefragt, wofür sie damals den Integrationspreis gewonnen haben, was für besondere Erlebnisse bei Ihnen hängengeblieben sind und wie es ihnen heute geht. Wenn euch also interessiert, was Oldenburg zwischen 2010 und 2025 an Projekten ausgemacht hat, die sich für Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie für solidarisches Miteinander einsetzen, dann horcht rein in die jeweils circa zehn minütigen Podcasts von „hörbar vielfältig.“ Viel Spaß dabei.

Claudia Wronna: Hallo und herzlich willkommen! Heute habe ich Daniela Pfeiffer vom Verein Mentor Oldenburg – die Leselernhelfer e.V. hier bei mir zu Gast. Sie sind 2012 mit dem Integrationspreis ausgezeichnet worden. Frau Pfeiffer, den Verein gibt es jetzt schon 20 Jahre. Sie feiern dieses Jahr 20 Jahre Jubiläum. Sie sind Gründerin und Vorstandsvorsitzende des Vereins. Wie ist es damals zustande gekommen? Was macht der Verein?

Daniela Pfeiffer: Erst einmal: wie ist es zustande gekommen? Ich war damals im Landtag und wurde von der Handwerkskammer angesprochen: Wie kann man junge Leute ausbildungsfähig machen? Denen fehlen ja die wichtigen Grundkompetenzen, zum Beispiel Lesen. Und da wurde ich in Hannover angesprochen von einem Herrn Stender, der in Hannover schon so einen Verein gegründet hatte. Da habe ich gedacht, das könnte man auch in Oldenburg tun. Also habe ich mich dann ein Jahr lang mit verschiedenen Menschen zusammengesetzt und wir haben also die Grundlagen für diesen Verein gelegt, der dann am 5.3.2005 tatsächlich gegründet wurde. Was macht der Verein? Wir gehen mit Ehrenamtlichen, die im eins-zu-eins-Verhältnis in den Schulen, in den Grundschulen vor allen Dingen mit Kindern lesen üben, sprechen, sich unterhalten mit den Kindern. Und die Grundschulen stellen uns die Kinder zur Verfügung, sozusagen, benennen uns die Kinder. Und dann gehen die Ehrenamtlichen in die Schulen, einmal in der Woche und üben immer mit dem gleichen Kind, möglichst immer am gleichen Platz, eine Stunde lang lesen, unterhalten sich mit den Kindern, wie gesagt, dadurch entwickeln sich häufig sehr, sehr nette Beziehungen zwischen den Mentorinnen vor allen Dingen und den Kindern. Und wie wir alle wissen: Kinder haben in dem Alter Vorbilder, für die sie etwas tun. Und so reißen sich die Kinder ganz doll zusammen häufig. Also üben da ganz engagiert lesen. Und in den allermeisten Fällen klappt das auch wunderbar, so dass dann am Ende eines Jahres, das die Mentoren sich normalerweise mindestens zur Verfügung stellen, klappt das auch mit dem Lesen. Rückmeldungen aus den Schulen sind ganz super.

Claudia Wronna: Und mit wieviel Schulen arbeiten Sie da zusammen?

Daniela Pfeiffer: Derzeit arbeiten wir mit 20 Grundschulen zusammen. Wir hatten auch schon mal, ich glaube 26 oder so, und mit einer IGS und einer Oberschule. Wobei das aber dann häufig Kinder sind, bei denen schon in der Grundschule angefangen wurde, die dann aber den Übergang mit der Mentorin machen. Und mit diesen weiterführenden Schulen haben wir aber keinen Kooperationsvertrag oder so. 

Claudia Wronna: Der Schwerpunkt liegt schon bei den Grundschülern. Okay, wie hat sich die Arbeit in den letzten 20 Jahren verändert?

Daniela Pfeiffer: Ja, das habe ich gerade neulich bei unserem Jubiläum berichtet, dass wir vor 20 Jahren angetreten sind, um die Kinder zu unterstützen, bei denen zu Hause halt nicht die Möglichkeit oder der Wille da ist, die Kinder zu unterstützen. Nämlich da, wo das nicht gemacht wird, was ich mit meinen Kindern gemacht habe, was auch schon meine Eltern mit mir gemacht haben, nämlich lesen üben. Für viele genügt es eben nicht, in der Woche mal fünf Minuten dran zu kommen und dann irgendwas nachzulesen. Und das, was wir jetzt noch mal die Frage…?

Claudia Wronna: Die Frage war, was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert?

Daniela Pfeiffer: Ja, genau, das waren die Kinder, die wir damals hatten und da waren wenige Migrantenkinder dabei. Heutzutage hat sich das Bild völlig verändert. Die Grundschulen sind völlig überfordert mittlerweile mit der zum Teil doch großen Menge an Kindern, die hier nicht geboren sind, deren Eltern nicht Deutsch sprechen, die erst Deutsch sprechen lernen müssen. Und mit den Kindern, die auch noch zusätzlich als I –Kinder, Inklusionskinder, in den Klassen sind.

Claudia Wronna: Das ist eine hohe Diversität in den Klassen.

Daniela Pfeiffer: Ganz genau.

Claudia Wronna: Und dem dann gerecht zu werden, das ist eben schwierig. Und da helfen die Mentoren.

Daniela Pfeiffer: Ja genau.

Claudia Wronna: Wie viele Mentoren gibt es denn hier im Verein?

Daniela Pfeiffer: Wir haben jetzt… oh wenn ich das jetzt so genau wüsste... Ich glaube, wir haben 120 Mentoren wieder nach Corona. Vor Corona hatten wir 180 ungefähr. Wir haben vor Corona 10.000 Stunden im Jahr geleistet. Das sind runtergebrochen auf jeden Schultag 55 Stunden, das heißt 55 Mentoren sind losgelaufen und haben da eine Stunde geleistet. Und heute sind wir wieder bei 170 Kindern, die gefördert werden. Das heißt 50 Mentoren ungefähr müssen zwei Kinder haben in der Förderung. Oder aber manche machen auch mehr und insofern machen die das so gerne, dass die also sich da mehrere Stunden in der Woche in die Schule begeben und hintereinanderweg oder auch an anderen Tagen dann mit Kindern arbeiten.

Claudia Wronna: Sie hatten mir im Vorgespräch gesagt, dass viele Mentoren auch schon fast Gründungsmitglieder waren, also dass sie jetzt schon fast 20 Jahre auch tätig sind. Was ist das, was sie in Ihrem Ehrenamt besonders glücklich macht und sie dabei hält. Haben Sie da Rückmeldungen? 

Daniela Pfeiffer: Ich darf noch einmal korrigieren: viele sind es nicht. Wir haben neulich auf dem auf unserem Jubiläum eine Mentorin geehrt, die 20 Jahre dabei ist. Es sind, glaube ich, vier oder fünf, die aus der Zeit noch da sind. 

Claudia Wronna: Aber über so eine lange Zeit, das ist schon eine Leistung.

Daniela Pfeiffer: Das ist schon toll. Ja, das muss ich auch sagen. Absolut. Was macht die so glücklich? Also viele sind wirklich viele Jahre dabei, das kann man ja nicht anders sagen. Was macht die so glücklich? Die, ich würde sagen, die fröhlichen Kinderaugen. Die Kinder, die häufig gar nie im Leben die Chance hatten, mal mit einem Erwachsenen alleine eine Stunde zu verbringen. Die bekommen jetzt nun einmal in der Woche eine Stunde geschenkt. Und die Mentoren haben ja nichts Anderes zu tun, als den Kindern Lust aufs Lesen zu machen im Grunde genommen. Und das sind natürlich alle, die selber gerne lesen, logisch. Die suchen dann häufig auch Bücher raus, auch wenn wir denen Material zur Verfügung stellen. Aber die finden es einfach toll, wie die Kinder ihnen schon entgegenkommen und manchmal sich auch drängeln, wenn ein Kind nicht da ist. Dann kommen die in die Schule, manchmal, das sollte so nicht sein, aber ist manchmal so und dann sind dann schon mehrere Kinder, die sagen: „Heute will ich, ich will, aber ich will aber.“ Und es ist so nicht gedacht, aber die Geschichte habe ich schon mal erzählt bekommen.

Claudia Wronna: Da hören Sie sicherlich die eine oder andere nette Anekdote, die die Mentoren auch mitbringen. Haben Sie da besonders was in Erinnerung geblieben?

Daniela Pfeiffer: Ja, das passt jetzt auch dazu. Genau das ist die Geschichte von einem Mentoren. Leider haben wir wenige Männer, Männer sind aber eigentlich sehr gefragt in der Grundschule. Da gibt es ja nur wenige Lehrer, sondern fast nur Lehrerinnen. Und dieser Mentor hat seinem Mentor-Kind / Lesekind irgendwann mal eröffnet: „Weißt du, ich möchte eigentlich noch mit einem zweiten Kind lesen.“ Da fing der Junge an zu weinen und hat gesagt: „Das geht doch nicht, du bist doch mein Leseonkel.“ Und daraufhin hat er dann bei uns, mit dem Verein, Kontakt aufgenommen und hat gesagt: „Kann ich an einer anderen Schule noch ein Kind haben?“

Claudia Wronna: Das ist wirklich rührend.

Daniela Pfeiffer: Oder auch die Geschichte fällt mir noch gerade ein. Eine Mentorin hat ihr ehemaliges Kind mit einem kleinen Bruder bei der Stadtbibliothek bei der Jugendbibliothek gesehen und hat gesagt: „Was machst du denn hier? Was macht ihr denn hier?“ – „Ja, ich mache jetzt das mit meinem kleinen Bruder, was du mit mir gemacht hast.“

Claudia Wronna: Reizend. Ja, schön. Toll! Wenn es den Verein schon so lange gibt, können Sie bestimmt noch was dazu sagen, welche Botschaft, welchen Wunsch Sie für die weiteren 20 Jahre haben?

Daniela Pfeiffer: Ja, das wäre toll, wenn es den Verein weiterhin 20 Jahre gäbe. Dafür wäre es aber irgendwann mal notwendig, dass der Verein auch in jüngere Hände übergeht. Und da wir im Moment ja so allgemein ein Problem haben in allen Vereinen – ich habe das auch in unserem Sportverein vor Augen – dass Verantwortung so eine Sache ist. Gerne eine Stunde pro Woche, aber mit der weiteren Verantwortung, da hapert es doch ein bisschen. Ich wünschte mir, dass das vielleicht sich wieder ein bisschen ändert und so ein toller Verein dann doch weiterbestehen kann.

Claudia Wronna: Eben auch dann in der Vorstandsarbeit.

Daniela Pfeiffer: Ja, auch in der Vorstandsarbeit. Genau das ist der Punkt. Also so eine Stunde lesen ist ganz nett, aber Vorstand, das ist dann doch vielleicht ein bisschen mehr Arbeit. Obwohl es ist überschaubar. Also man kann das wirklich auch... Es geht, es ist tragbar.

Claudia Wronna: Und wenn sich da Menschen für interessieren würden, wie könnten sie Sie erreichen?

Daniela Pfeiffer: Über unsere Homepage. Da stehen unsere Bürozeiten drin, da steht auch eine E-Mail-Adresse.

Claudia Wronna: Sagen Sie mal eben, wie heißt die?

Daniela Pfeiffer: Mentor-Oldenburg[at]gmx.de.

Claudia Wronna: Wunderbar. Frau Pfeiffer, herzlichen Dank für dieses Interview. Vielen herzlichen Dank für 20 Jahre Vorstandsarbeit und ganz viel Aufbauarbeit des Vereins. Vielen Dank für so viele Kinder, die dadurch lesen gelernt haben. Und Sie haben da einen ganz großen Beitrag geleistet mit den Mentoren. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und dass das weiter so bestehen bleibt. Schön, dass Sie da waren. Vielen Dank. Tschüss.

Daniela Pfeiffer: Gerne. Tschüss.

Claudia Wronna: Dies war ein Podcast aus der Reihe „hörbar vielfältig.“ Dies ist ein Projekt des Fachdienstes Integration im Amt für Zuwanderung und Integration der Stadt Oldenburg. Aufnehmen durften wir den Podcast in der Freizeitstätte Bürgerfelde und bedanken uns insbesondere bei Nils Naumann und Felix Klostermann für die technische, herzliche und vor allem unkomplizierte Unterstützung. Hört gerne noch in unsere weiteren Podcastfolgen hinein, diese findet ihr hier. »

Zuletzt geändert am 8. Juli 2025