Mitschrift zur Podcast Episode 19

Jubiläumsaktion 15 Jahre Integrationspreis

Claudia Wronna: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „hörbar vielfältig“, den wir anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Integrationspreises der Stadt Oldenburg aufgenommen haben. In den 15 Jahren sind zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen mit diesem Preis ausgezeichnet und gewürdigt worden und wir wollen euch eine große Anzahl davon vorstellen. Wir haben nachgefragt, wofür sie damals den Integrationspreis gewonnen haben, was für besondere Erlebnisse bei Ihnen hängengeblieben sind und wie es ihnen heute geht. Wenn euch also interessiert, was Oldenburg zwischen 2010 und 2025 an Projekten ausgemacht hat, die sich für Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie für solidarisches Miteinander einsetzen, dann horcht rein in die jeweils circa zehn minütigen Podcasts von „hörbar vielfältig.“ Viel Spaß dabei.

Claudia Wronna: Heute habe ich Saad Suleiman vom Verein IBIS Interkulturelle Arbeitsstelle e.V. hier aus Oldenburg zu Gast. Ihr seid im Jahr 2017 mit dem Oldenburger Integrationspreis ausgezeichnet worden für euer Projekt Meine Geschichte, Deine Geschichte, unsere Geschichte.  Flucht, Migration und Shoah. Saad, erzähl mal, was hat es mit diesem Projekt auf sich? Was ist das genau gewesen? 

Saad Suleiman: Ja, hallo erstmal. Mit dem Projekt haben wir 2016 angefangen. Und wie du gerade gesagt hast, hieß es: Meine Geschichte, deine Geschichte, unsere Geschichte. Das Projekt dauerte fünf Jahre und in diesem Zeitraum haben wir drei Theaterstücke auf die Bühne gebracht. Die Teilnehmer*innen, die da mitgemacht haben, waren alle Ausländer*innen, die aus verschiedenen Ländern kamen. Ich war einer davon. Viele von uns konnten damals kaum Deutsch sprechen. Ich z.B. sprach gar kein Deutsch. Und ja, wie gesagt. Wir haben drei Theaterstücke gemacht. Ab dem zweiten Stück habe ich als Multiplikator mitgemacht. 

Claudia Wronna: Okay. Du sagst, ihr habt drei Theaterstücke gemacht. Wer hat da Regie geführt? 

Saad Suleiman: Das hat die Theaterpädagogin und Regisseurin Dzenet Hodza gemacht. 

Claudia Wronna: Und wie habt ihr euch diesen Texten der Theaterstücke genähert? Habt ihr da eigene Geschichten mit eingebracht oder habt ihr Skripte gehabt, nach denen ihr gearbeitet habt? 

Saad Suleiman: Also wenn wir sagen Meine Geschichte, deine Geschichte. Unsere Geschichte…. dann ja, natürlich… wir haben unsere Geschichten erzählt. Also über Flucht. Also wie wir nach Deutschland gekommen sind und was wir ab 2014 als Yeziden erlebt haben. Das haben wir ihr erzählt, auch mit Übersetzer. Und danach haben wir alles auf Deutsch aufgeschrieben. Das haben wir alles auswendig gelernt. Und ja, wir hatten Erfolg damit. 

Claudia Wronna: Ja, das stelle ich mir total spannend vor. Du sagtest ja, dass du gar kein Deutsch gesprochen hast und musstest dann aber ganz viel Text aufschreiben und auswendig lernen. Das stelle ich mir sehr schwer vor. Habt ihr da Hilfe gehabt? 

Saad Suleiman: Ja, wir haben Hilfe gehabt. Also, wir haben bei jedem Stück Nachhilfe bekommen. Und ja, das haben wir auch selber zu Hause geübt, ich habe einen digitalen Übersetzer benutzt und natürlich auch Freunde gefragt. Wenn ich Schwierigkeiten beim Aussprechen gehabt habe, habe ich immer Freunde gefragt. 

Claudia Wronna: Wie lange habt ihr an diesen Stücken gearbeitet und seid ihr damit auch aufgetreten? 

Saad Suleiman: Ja, wie gesagt, in fünf Jahren haben wir drei Theater auf die Bühne gebracht. Wir haben an vielen unterschiedlichen Orten aufgetreten. In Oldenburg in der Exhalle und an Schulen. Auch in Bremen, Großenkneten und in Erlangen haben wir an Schulen gespielt. 

Claudia Wronna: Dann hattet Ihr ja eine richtige Tournee, wie schön. Was waren denn so besondere Erlebnisse für dich? Was ist dir bis heute hängengeblieben von der Zeit? 

Saad Suleiman: Also ein ganz besonderes Erlebnis war für mich und für uns alle, glaube ich, als wir den Integrationspreis gewonnen haben. Von dem Preisgeld durfte die Gruppe in die Niederlande reisen, um das Anne-Frank-Haus in Amsterdam zu besuchen. Das werden wir nie vergessen. Es war für mich sehr interessant und ich glaube für alle anderen auch. Es war interessant und traurig gleichzeitig. Auf jeden Fall beeindruckend. Und außerdem haben wir noch das Konzentrationslager Bergen Belsen besucht. 

Claudia Wronna: Das heißt, ihr habt nicht nur Theater gespielt und die Stücke eingeprobt, sondern darüber hinaus habt ihr auch Ausflüge gemacht und euch inhaltlich auf Spurensuche begeben zu historischen Stätten hier in Deutschland, die für die Nazizeit stehen. 

Saad Suleiman2: Ja, nachdem unsere Regisseurin Dzenet gesehen hat, dass wir uns so für das Thema Juden interessiert haben, hat sie diese politischen Bildungsreisen vorgeschlagen. Also nahmen wir teil. In der Gruppe sind wir auch nach Berlin gefahren. Wir haben die Berliner Mauer besichtigt und verschiedene Gedenkstätten besucht. Eine davon war auch Sachsenhausen. 

Claudia Wronna: Dann habt ihr in dieser Gruppe sehr viel erlebt. Wahrscheinlich seid Ihr ganz gut zusammengewachsen. Habt ihr heute noch Kontakt? 

Saad Suleiman: Ja, also bis heute haben die meisten Kontakt miteinander. Wir spielen Fußball zusammen und viele von denen fragen auch nach, ob solche Projekte noch bei IBIS stattfinden. Aber leider ist das Projekt nach fünf Jahren vorbei. 

Claudia Wronna: Ist Für dich persönlich hat sich daraus ja auch ein berufliches Standbein ergeben. Du bist mittlerweile hauptberuflich bei Ibis tätig. 

Saad Suleiman: Ja, also nachdem ich das Projekt bei IBIS mitgemacht habe wurde ich gefragt, ob ich dortbleiben möchte.  Anfangs habe ich ehrenamtlich bei IBIS gearbeitet. Ich habe dort im Café mitgearbeitet und wir haben für Ausländer, für Geflüchtete und auch für Deutsche gekocht. Wir haben jeden Donnerstag und Freitag gekocht und gemeinsam gegessen. Und ja, also durch das Projekt bin ich dann hauptamtlich bei IBIS reingekommen und arbeite zurzeit im Deutschkurs-Büro. 

Claudia Wronna: Toll. Saad, wenn du noch eine Botschaft oder einen Wunsch für die Zukunft loswerden könntest, was wäre das für einer? 

Saad Suleiman: Also ich wünsche mir, dass die Stadt Oldenburg auch in Zukunft solche Projekte anbietet. Dadurch können Ausländer*innen zeigen, warum sie ihre Heimatländer verlassen haben. Denn ich glaube, mehr als 50 % der Ausländer*innen, die momentan in Deutschland sind, sind aufgrund des Krieges hier. Und wenn wir in Deutschland offen erzählen können, warum wir hier sind, dann werden wir, glaube ich, alle gemeinsam in Frieden leben können. 

Claudia Wronna: Das ist ein schönes Schlusswort. Also dir geht es ganz viel um Begegnung und um Öffentlichkeitsarbeit und um einander näherkommen. 

Saad Suleiman: Genau. Auf jeden Fall. 

Claudia Wronna: Vielen herzlichen Dank, dass du hier warst und über das tolle Projekt berichtet hast. Viel Erfolg weiterhin bei IBIS.

Saad Suleiman: Sehr gerne, vielen Dank! 

Claudia Wronna: Dies war ein Podcast aus der Reihe „hörbar vielfältig.“ Dies ist ein Projekt des Fachdienstes Integration im Amt für Zuwanderung und Integration der Stadt Oldenburg. Aufnehmen durften wir den Podcast in der Freizeitstätte Bürgerfelde und bedanken uns insbesondere bei Nils Naumann und Felix Klostermann für die technische, herzliche und vor allem unkomplizierte Unterstützung. Hört gerne noch in unsere weiteren Podcastfolgen hinein, diese findet ihr hier. »

Zuletzt geändert am 8. Juli 2025