Chance statt Bedrohung
Professor Dr. Lehnhoff ist Vorstandsvorsitzender des Informatikinstituts OFFIS in Oldenburg und forscht seit Jahren zum Einsatz und den Auswirkungen Künstlicher Intelligenz.
Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff im Interview
Herr Professor Lehnhoff, welche Auswirkungen hat der KI-Einsatz auf die Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen?
Die gute Nachricht zuerst: Der KI-Einsatz führt nicht automatisch zu Stellenabbau. Wenn wir international schauen, kam es nur sehr selten vor, dass aufgrund von KI Arbeitsplätze komplett wegfielen. Und selbst in diesen Fällen wurden Mitarbeiter meist intern versetzt, statt entlassen zu werden. Trotzdem sollten wir ehrlich sein: In den kommenden zwei bis drei Jahren wird KI in bestimmten Bereichen durchaus spürbare Veränderungen bringen. Besonders betroffen sind Tätigkeiten mit hohem Automatisierungspotenzial – etwa in der Buchhaltung oder im Kundenservice, wo Chatbots den Erstkontakt übernehmen. Auch bei der Text- und Datenverarbeitung sehen wir einen rasanten Wandel. Aber – und das ist entscheidend – meist werden nicht komplette Berufe ersetzt, sondern einzelne Tätigkeiten automatisiert. Das eröffnet Chancen, sich auf kreative, soziale oder beratende Aufgaben zu konzentrieren. Was wir gleichzeitig beobachten: Durch KI entstehen völlig neue Aufgabenfelder.
Viele KMU haben Sorge, dass KI ihre Unternehmenskultur verändert. Ist das berechtigt?
Absolut. Diese Sorgen sind sehr verständlich. KI verändert fundamentale Aspekte der Unternehmenskultur. Hierarchien werden flacher, Teams arbeiten agiler und daten- basierter. Das kann gerade für traditionell geprägte KMU eine erhebliche Umstellung bedeuten. Beim Kundenkontakt sind die Befürchtungen besonders real: KI-gestützte Automatisierungen – von Chatbots bis hin zu automatisierten Serviceprozessen – können den direkten, persönlichen Austausch tatsächlich reduzieren. Aber hier liegt auch die Chance: Unternehmen können diesen Wandel bewusst gestalten. Entscheidend ist, die kulturelle Transformation nicht dem Zufall zu überlassen, sondern aktiv zu steuern und dabei die eigenen Werte zu bewahren.
Welche Rolle spielt Weiterbildung, wenn ein Unternehmen KI einsetzen will?
Sie ist das A und O – gerade für Mitarbeitende ohne IT-Hintergrund. Sie müssen durch gezielte Schulungen befähigt werden, KI-Technologien kompetent zu nutzen. Das ist besonders wichtig, weil mit dem KI-Einsatz oft komplexere Aufgaben anfallen. Das Problem: Bisher bietet nur eine Minderheit der Unternehmen solche Fortbildungen an. Außerdem: Einmal lernen reicht nicht – wir brauchen eine kontinuierliche Anpassung der Kompetenzen. Wer das ernst nimmt, verschafft sich einen echten Wettbewerbsvorteil.
Ihr Rat an KMU-Inhaber, die noch zögern?
Nehmen Sie Ihre Sorgen ernst – aber lassen Sie sich nicht lähmen. KI wird kommen, ob wir wollen oder nicht. Die Frage ist: Gestalten wir sie aktiv mit oder schauen wir nur zu? Wer frühzeitig in die Qualifizierung seiner Mitarbeitenden investiert und dabei die Unternehmenskultur im Blick behält, kann Künstliche Intelligenz als Chance nutzen, statt sie als Bedrohung zu erleben.
Zuletzt geändert am 3. November 2025
