Mitschrift zur Podcast Episode 11
Jubiläumsaktion 15 Jahre Integrationspreis
Claudia Wronna: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „hörbar vielfältig“, den wir anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Integrationspreises der Stadt Oldenburg aufgenommen haben. In den 15 Jahren sind zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen mit diesem Preis ausgezeichnet und gewürdigt worden und wir wollen euch eine große Anzahl davon vorstellen. Wir haben nachgefragt, wofür sie damals den Integrationspreis gewonnen haben, was für besondere Erlebnisse bei Ihnen hängengeblieben sind und wie es ihnen heute geht. Wenn euch also interessiert, was Oldenburg zwischen 2010 und 2025 an Projekten ausgemacht hat, die sich für Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie für solidarisches Miteinander einsetzen, dann horcht rein in die jeweils circa zehnminütigen Podcasts von „hörbar vielfältig.“ Viel Spaß dabei.
Claudia Wronna: Hallo und herzlich willkommen! Heute habe ich drei Gäste vom Verein Yezidisches Forum hier bei mir zu Gast. Einmal Ilyas Yanc, den ersten Vorsitzenden, dann Gülistan Ibrahim, die stellvertretende Vorsitzende und Mitarbeiterin im Integrationsprojekt und Basam Mihi als Jugendsprecher im Yezidischen Forum. Schön, dass ihr da seid.
Ilyas Yanc: Vielen Dank für die freundliche Einladung.
Claudia Wronna: Ihr seid im Jahr 2022 mit dem Oldenburger Integrationspreis ausgezeichnet worden für euer Projekt „Gemeinsam Kinder und Jugendliche nach der Corona-Pandemie erfolgreich stärken.“ Bevor wir darüber sprechen, möchte ich euch noch mal die Möglichkeit geben, ein paar Sätze zum Verein an sich zu sagen.
Ilyas Yanc: Ja, das Yezidische Forum ist 1993 von zugewanderten Yeziden in der Stadt Oldenburg gegründet worden und hat in über 30 Jahren eine ganz intensive und enorme Integrationsarbeit in dieser Stadt Oldenburg vollbracht, agiert aber nicht nur in Oldenburg, sondern über Oldenburg und das Land Niedersachsen auch auf Bundes- und internationaler Ebene. Und wir sind in ganz vielen Netzwerken und auch Kooperationen aktiv und versuchen, die Interessen der Yeziden zu vertreten. Aber auch nicht nur die Interessen der Yeziden, sondern auch zugewanderter Mitbürger und Mitbürgerinnen, die hier Zuflucht und eine Heimat gefunden haben. Wir verstehen uns auch als Bürger der Stadt Oldenburg und sind auch sehr dankbar, dass wir im regen Kontakt auch mit vielen anderen Akteuren in den Querschnittsthemen Migration, Integration, aber auch Flucht und Asyl, aber auch Bildung und natürlich in der Gemeinwesen- und Sozialarbeit unsere Arbeit machen können. Es ist so, dass wir schon in vierter Generation in dieser Stadt, in Deutschland leben. Und wir fühlen uns zugehörig und bekennen uns natürlich zum Wertesystem und auch zum Grundgesetz dieses Landes.
Claudia Wronna: Wie viele Yeziden gibt es in Oldenburg?
Ilyas Yanc: Ja, leider ist es so, dass die Historie der Yeziden von Flucht und Vertreibung geprägt ist und die ersten Yeziden, die nach Oldenburg gekommen sind, sind Ende der 60er Jahre als türkische Gastarbeiter nach Oldenburg gekommen. Und Ende der 80er Jahre sind der Großteil der Yeziden aufgrund ihrer Situation in der Türkei dann als Flüchtlinge nach Niedersachsen gekommen. Und viele von denen haben dann in Oldenburg Zuflucht und eine Heimat gefunden. Und wie das bei Yeziden so üblich ist: Familie ist ein ganz großer Begriff. Dann haben ganz viele ihre Familienmitglieder hergebracht. Und leider ist es auch so, dass dann nach 2014 die Zahl der Yeziden in Oldenburg, aber auch im Umland enorm in die Höhe gegangen ist. Und wir haben jetzt alleine in Oldenburg über 7000 Yeziden. Was aber nicht problematisch ist, sondern die Yeziden haben innerhalb von acht oder neun Jahren eine enorme Integrationsleistung hinter sich gebracht. Und alleine letztes Jahr haben wir mit den Yeziden aus dem Irak über 730 neu eingebürgerte Personen in der Stadt Oldenburg.
Claudia Wronna: Ihr habt auch ein großes Haus, ein großes Vereinsheim, sage ich mal, wo seid ihr zu finden?
Ilyas Yanc: Wir sind seit 1999, auch nochmal einen ganz großen Dank an die Stadtverwaltung, aber auch an die Parteien dieser Stadt Oldenburg, die sich damals auch dafür ausgesprochen haben, dass wir das Grundstück in der Eidechsenstraße 19, damals noch neben der Mülldeponie bekommen haben. Und wir haben dann tatsächlich mit diesem Haus in Deutschland auch Geschichte geschrieben. Das war das erste yezidische Haus, was außerhalb der ursprünglichen Heimat von der Fliese bis zum Dach dann von Yeziden errichtet worden ist. Und wir haben tagtäglich geöffnet und machen dort Migrationsberatung für alle Menschen, haben dann aber auch vielfältige Aktionen und Aktivitäten. Also mittwochs ist bei uns Internationaler Frauentreff, wir haben ein Jugendcafé, sonntags gibt es die Möglichkeit, dass Menschen, die Rat und Beratung auch zusätzlich benötigen, dann von uns durch den Vorstand betreut werden. Aber auch die Kinder- und Jugendarbeit ist ein ganz großes Thema bei uns, auch ein Herzensthema, weil wir darüber auch so verstehen, dass wir dann auch Menschen für diese neue Heimat zukunftsfähig machen können und dass sie mitgestalten sollen. Wir verstehen uns als Gestalter und Akteur in dieser Stadt.
Claudia Wronna: Kinder und Jugendliche waren auch bei dem Projekt, für das ihr den Integrationspreis gewonnen habt, im Mittelpunkt. Gülistan, worum ging es bei diesem Projekt und warum habt ihr euch genau für dieses Projekt entschieden?
Gülistan Ibrahim: Die Corona-Krise hat ja uns alle in irgendeiner Form sehr, sehr stark belastet und insbesondere Kinder und Jugendliche. Deshalb war es uns ein ganz, ganz großes Anliegen, diese Kinder und Jugendlichen wieder aufzufangen, ihnen verschiedene Aktivitäten und Aktionen zu ermöglichen, um ihre Möglichkeiten an Teilhabe zu gestalten. Und dementsprechend haben wir Anfang 2020 in unserem Jugendcafé mit verschiedenen Jugendlichen diskutiert, welche Aktionen und Aktivitäten wir unseren Kindern und Jugendlichen bieten möchten. Und so sind viele verschiedene Aktionen dann geplant worden, unter anderem viele verschiedene Ferienfreizeitfahrten, unter anderem nach Wangerooge, oder aber auch ein Identitätsseminar zu der Frage: Was bedeutet das denn überhaupt, yezidisch zu sein? Aber auch Tagesausflüge in den Zoo oder zu anderen Tier- und Freizeitgärten. Auch andere Aktivitäten wurden in diesem Jahr dann noch durchgeführt und wir haben insgesamt über 240 Kinder und Jugendliche erreicht, zwischen 8 bis 27 Jahren. Und das war für uns natürlich eine große Herzensangelegenheit und wir sind natürlich darüber auch sehr, sehr froh, dass wir auch von der Stadt aus diese Wertschätzung und Anerkennung bekommen haben.
Claudia Wronna: Diese vielen Veranstaltungen konntet ihr wahrscheinlich nicht alleine mit eurer Manpower bewerkstelligen. Da gab es sicherlich Kooperationspartner, mit denen ihr zusammengearbeitet habt.
Gülistan Ibrahim: Ja, die Deutsche Jugend in Europa war zum Beispiel ein guter Kooperationspartner, aber auch die Stadt Oldenburg mit dem Amt für Zuwanderung und Integration. Auch der Stadtjugendpfleger Christian Fritsch. Auch mit ihm haben wir natürlich kooperiert und unsere Aktivitäten auch voranbringen können. Und ohne diese Unterstützung wäre das natürlich nicht realisierbar gewesen.
Claudia Wronna: Ihr seid ja ein sehr großer Verein und wahrscheinlich haben die Projekte, die ihr da 2022 starten konntet, jetzt auch noch weiterhin Bestand in irgendeiner Form und konnten auch nachhallen. Wie ist es aktuell?
Gülistan Ibrahim: Wir haben ja in dem Jahr auch viele Jugendliche zu Jugendleiter und -leiterinnen ausgebildet und diese konnten dann natürlich auch ihr theoretisches Wissen auch in der Praxis im nächsten Jahr noch mal anwenden konkret. Und das konnten sie zum Beispiel in Tagesausflügen, aber auch in weiteren Ferienfreizeitfahrten, die dann in den nächsten darauffolgenden Jahren auch weiterhin geplant und umgesetzt worden sind.
Claudia Wronna: Das ist schön, dass sich das so stabilisiert hat und institutionalisiert hat bei euch. Toll! Ja, jetzt vielleicht die letzte Frage an den Jugendsprecher des Vereins Basam: Welchen Wunsch, welche Botschaft hast du für die Zukunft?
Basam Mihi: Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir weiterhin zusammenarbeiten und die Stimme der Jugendlichen stärken und ihre Anliegen in den Vordergrund rücken. Und ich hoffe, dass wir mehr Möglichkeiten schaffen können, um die Integration und das Verständnis zwischen zwei Kulturen zu fördern. Es ist wichtig, dass wir die Vielfalt feiern und voneinander lernen. Gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, in der alle Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen haben ihre Träume zu verwirklichen und aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben. Ich würde sagen, lasst uns weiterhin für die inklusive und respektvolle Gemeinschaft eintreten.
Claudia Wronna: Das ist sehr schön, wie du das formuliert hast. Ilyas, möchtest du als erster Vorsitzender dem noch etwas hinzufügen?
Ilyas Yanc: Vielleicht zum Abschluss, ich fand das ja wunderbar: Wir haben ja viele Kinder, die traumatisiert waren und eine Fluchtgeschichte mitgebracht haben. Als wir gesagt haben, wir wollen nach Wangerooge, dass viele der Kinder nicht wussten, wo Wangerooge liegt. Und ich habe ihnen gesagt: „Das liegt irgendwo mitten im Wasser und in der Mitte ist das eine Insel.“ Und da wurde ich von vielen Kindern gefragt, ob man dafür eine Aufenthaltserlaubnis braucht oder ein Visum oder ob das im Ausland liegt. Und das war eine wunderbare Begebenheit. Also diesen Kindern auch mal diese Orte, diese wunderbaren Orte auch hier im Norden Deutschlands zu zeigen. Das war tatsächlich sehr prägend für uns. Und natürlich ist es so, dass wir jetzt aktuell wieder Fahrten nach Cuxhaven und anderen Orten planen. Und das ist für Kinder natürlich eine wunderbare Geschichte, hier im Norden ganz viele Sehenswürdigkeiten und Eigenarten im Norden kennenzulernen.
Claudia Wronna: Vielen Dank für die Einblicke in Eure Arbeit und für dieses tolle Projekt. Bleibt weiter so engagiert. Herzlichen Dank! Schön, dass wir euch hier in Oldenburg haben und dass wir hier gemeinsam an dem Thema Migration / Integration arbeiten. Danke für das Interview.
Claudia Wronna: Dies war ein Podcast aus der Reihe „hörbar vielfältig.“ Dies ist ein Projekt des Fachdienstes Integration im Amt für Zuwanderung und Integration der Stadt Oldenburg. Aufnehmen durften wir den Podcast in der Freizeitstätte Bürgerfelde und bedanken uns insbesondere bei Nils Naumann und Felix Klostermann für die technische, herzliche und vor allem unkomplizierte Unterstützung. Hört gerne noch in unsere weiteren Podcastfolgen hinein, diese findet ihr hier. »
Zuletzt geändert am 8. Juli 2025