Mitschrift zur Podcast Episode 5

Jubiläumsaktion 15 Jahre Integrationspreis

Claudia Wronna: Herzlich willkommen zu unserem Podcast „hörbar vielfältig“, den wir anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Integrationspreises der Stadt Oldenburg aufgenommen haben. In den 15 Jahren sind zahlreiche Projekte, Vereine und Initiativen mit diesem Preis ausgezeichnet und gewürdigt worden und wir wollen euch eine große Anzahl davon vorstellen. Wir haben nachgefragt, wofür sie damals den Integrationspreis gewonnen haben, was für besondere Erlebnisse bei Ihnen hängengeblieben sind und wie es ihnen heute geht. Wenn euch also interessiert, was Oldenburg zwischen 2010 und 2025 an Projekten ausgemacht hat, die sich für Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sowie für solidarisches Miteinander einsetzen, dann horcht rein in die jeweils circa zehnminütigen Podcasts von „hörbar vielfältig.“ Viel Spaß dabei.

Claudia Wronna: Hallo und herzlich willkommen! Heute habe ich die drei Geschäftsleitung vom Verein Jugendkulturarbeit hier in Oldenburg bei mir zu Gast. Jörg Kowollik, Gina Schumm und Dettmar Koch. Ihr seit dem Jahr 2016 mit dem Oldenburger Integrationspreis ausgezeichnet worden für euer Projekt „Erzähl mir was! Theaterspielen, Sprachenlernen, Spaß haben.“ Schön, dass ihr da seid. Ja, vielleicht erst mal kurz zu euch. Wer seid ihr? Was macht ihr? Gina magst du?

Gina Schumm: Ja gerne. Also, der Verein Jugendkulturarbeit: wir sind alle drei vom Verein Jugendkulturarbeit und sind beheimatet in Donnerschwee, uns gibt es schon seit 30 Jahren. Deshalb haben wir auch im Sommer ein 30-jähriges Jubiläum. Aber zu Hause in Donnerschwee sind wir seit 2008, weil wir da auch eine Bildungsstätte haben für Kinder und Jugendliche. Und angefangen haben wir mit kultureller Bildung in den Stadtteilen. Also Stadtteil-Theatergruppen sind immer mehr geworden. Und dann kam die internationale Arbeit dazu, also Austauschprojekte. Und dann war es unumgänglich, dass wir eine Beherbergung haben, dass wir wissen, wo wir diese Kinder und Jugendlichen, die von irgendwo kommen und unsere eigenen also unterbringen können und haben es tatsächlich geschafft, in der alten Kaserne Donnerschwee dann ein, zwei Gebäude zu bekommen. Erst gemietet, dann gekauft und sind da jetzt sehr zufrieden mit eigener Küche, mit Proberäumen und allem, was dazugehört.

Claudia Wronna: Und ihr seid hier drei Geschäftsleitungen und es gibt auch drei Bereiche, drei Schwerpunkte eurer Arbeit. Magst du noch mal sagen, wer für was genau zuständig ist? 

Gina Schumm: Ja, also angefangen haben wir im Prinzip alle mit der kulturellen Bildung und jetzt ist Jörg dafür zuständig. Und wie ich schon kurz erwähnt habe, habe sind das die Kinder und Jugendtheatergruppen in den Stadtteilen und direkt auch bei uns im Haus, also Donnerschwee. Danach gab es die internationale Bildung, ich würde sagen, ab 2007. Da ist Dettmar federführend und macht ganz viel. Das sind deutsch-polnische oder auch trilateral oder auch multilaterale Austauschprojekte. Und ich mache seit 2011 im Prinzip die politische Bildung.

Claudia Wronna: Das hört sich sehr bunt gemixt an und genauso bunt gemixt ist auch euer wunderschönes Gebäude. Aber ihr müsst mir jetzt erst noch mal erzählen: ihr habt ja den Integrationspreis 2016 auch gewonnen. Wie seid ihr zu dem Projekt gekommen? Was habt ihr da genau gemacht?

Jörg Kowollik: Ja, da kann ja ich vielleicht noch mal was zu sagen. Also es war ja so, dass in 2015 relativ viele geflüchtete Menschen nach Deutschland gekommen sind, vor allen Dingen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Und wir haben ja als Jugendkulturarbeit den Auftrag, uns mit Kindern und Jugendlichen zu beschäftigen und kulturelle Bildung als Methode dort zu benutzen. Und dann hatten wir uns gefragt: Wo sind eigentlich die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten? Und wir sind über unsere guten Netzwerke in die Stadtverwaltung hinein dann über das Jugendamt an die Jugendschutzstelle herangetreten und haben gefragt. Und dann durften wir in die Wehdestraße, sind dort hingegangen und haben Jugendliche besucht, die dort angekommen waren gerade und haben mit denen einen Schnupperworkshop gemacht. Theater, also Theaterpädagogik, das ist super angekommen, die waren begeistert. Wir hatten ja schon ziemlich viel Erfahrung, auch mit dem Themenschwerpunkt Migration und Theater. Wir hatten seit 2011 ein Modellprojekt laufen, was auch durch die Stadt gefördert war. Viele unserer theaterpädagogischen Honorarkräfte und wir selber waren auch gut fortgebildet in dem Bereich. Und dann haben wir uns überlegt, nachdem das so gut angekommen war in der Wehdestraße: was können wir anbieten? Und es war gerade zu dem Zeitpunkt mit einem anderen Kooperationspartner das Thema Sprachlerncamps ein großes Thema für geflüchtete Jugendliche. Und dann haben wir gesagt, wir konzipieren auch ein Sprachlerncamp. Und das hat dann in den Osterferien stattgefunden. Und der Clou so ein bisschen, finde ich, in der Konzeption war, dass wir dann gesagt haben: aus einer Stadtteiltheatergruppe von uns (das war das Jugendtheater Rollentausch) da haben wir vier Jugendliche gefragt, ob sie nicht Lust hatten hätten mitzumachen, damit wir dort gleich Begegnungen schaffen. Und die Jugendlichen, die jetzt schon länger in Oldenburg wohnen, sich verstehen als Theaterpaten, Oldenburg-Paten und auch einfach als Anspielperson im Theaterkontext, weil die ja schon mehr Erfahrung hatten. Das haben wir dann so gemacht. Wir haben eine tolle Theaterpädagogin gefunden, Annalena Rohde, und die hat dann mit den Jugendlichen eine Woche zu Sprichwörtern, zu Dingen aus dem eigenen Lebenskontext, ohne zu biografisch zu werden, gearbeitet und es kam eine wunderbare Aufführung heraus, die wir dann in dieser Ferienwoche zum Ende gezeigt haben. Und parallel lief ein anderes Sprachlerncamp von der Kreisvolkshochschule Ammerland. Das haben wir dann zusammengelegt und es war ein wunderbarer Abend. Und das Schöne, was dabei rausgekommen ist, ist auch, dass viele der beteiligten Jugendlichen dann in unsere Stadtteiltheatergruppen auch eingestiegen sind, dort lange mitgespielt haben. Und ich hatte jetzt gerade das Erlebnis, da hat eine ehemalige Jugendliche von uns bei uns in unserem Projekthaus Hochzeit gefeiert und da war dann wieder ein Ehemaliger aus der Gruppe, die ich damals so zusammengestellt hatte, der jetzt glaube Maler geworden ist. Und dann haben wir uns unterhalten und das war so schön zu sehen, weil das dann ja so gewirkt hat.

Claudia Wronna: Das ist schön, dass das offenbar auch sehr nachhaltig ist, was ihr macht. Also dass die Jugendlichen bei euch ja fast erwachsen werden und ihr dann später noch weiteren Kontakt auch zu ihnen pflegt. Wunderbar. Was habt ihr denn aktuell für Projekte, von denen ihr berichten könnt? 

Dettmar Koch: Ja, wir werden jetzt dieses Jahr 30 Jahre alt. Und aus dem Grund ist es ja natürlich schon so, dass wir auch langsam an Strukturwandel denken müssen. Also wir werden ja auch langsam – langsamer als andere – aber wir werden auch älter und dementsprechend müssen wir uns Gedanken machen: Was gibt denn die Zukunft eigentlich her? Diesbezüglich sind wir seit März letzten Jahres ganz eng in Kontakt mit Schulen, mit den umliegenden Schulen, IGSn und OBSn, und haben uns gefragt: Was sind eigentlich unsere grundsätzlichen Ziele seit diesen 30 Jahren? Und das ist sicherlich irgendwie, dass wir starke Persönlichkeiten unterstützen wollen, beziehungsweise Menschen unterstützen wollen, starke Persönlichkeiten zu werden. Und natürlich freuen wir uns auch, wenn aufrechte Demokraten und Demokratinnen unser Haus verlassen, die für Vielfalt und Toleranz eintreten. Und eben dieses Ziel ist ja durch die aktuellen Wahlergebnisse schon in Frage gestellt. Ob uns das denn auch so gelungen ist. Und wir müssen uns einfach fragen, was wir besser machen können. Und dieses haben wir eben zusammen gefragt mit den Schulen, wie wir unsere Angebote diesbezüglich noch verbessern können, gerade auch die internationalen. Wenn wir eben mal durchzählen die letzten 30 Jahre: Mehr als 700 Oldenburger Jugendliche waren zum Beispiel mit mir in Auschwitz. Und das sind so Zahlen, wo man denkt: Was machen wir jetzt draus? Ja, gut. Und wir haben einfach festgestellt: wir wollen uns stärker in unseren Projektphasen an die Schulpläne, Jahrespläne, Lernpläne verbinden und haben halt dann daraus gedacht: Huch, wir haben noch 600 Quadratmeter Luftschutzraum und Atombunker. Wäre das nicht eine Möglichkeit, Jugendlichen dann doch wieder Räume zu schaffen?

Claudia Wronna: Also unter eurem Haus?

Dettmar Koch: Unter unserem Haus, im Bereich von Demokratieförderung und Projektarbeit. Die Schule hat gesagt, sie wäre total interessiert. Im neunten und zehnten Jahrgang ist der Schwerpunkt Weimarer Republik und das hat halt einen großen regionalen Bezug. Die Weimarer Republik ist ja in Wilhelmshaven entstanden durch die Revolution der Marinesoldaten und das war im Untergrund und wir haben auch einen Untergrund und da kann jetzt Demokratie wieder neu entstehen. Und somit haben wir gedacht: laden wir doch mal die Jugendlichen ein, was die dazu sagen. Und sie sind ziemlich begeistert eigentlich. Und das betrifft wieder alle unsere Bereiche, eben politische Bildung, aber auch kulturelle Bildung. Ja, und das Internationale: wir müssen es von vorneherein, wollen wir es international denken und unsere europäischen Partnerschaften mit einbeziehen in so ein lokales, regionales Förderzentrum für Demokratie.

Claudia Wronna: Das hört sich nach großen Zukunftsplänen an. Gina und Jörg, habt ihr auch noch einen Wunsch oder eine Botschaft, die ihr hier teilen wollt?

Gina Schumm: Der Wunsch vielleicht, dass es immer weitergeht, dass immer wieder neue Jugendliche zu begeistern sind und zu uns kommen und mit uns oder all den anderen, die da vor Ort sind, zusammenzuarbeiten, sich Gedanken zu machen, sich eine eigene Meinung zu bilden und auch dafür einzustehen. Also dass dieses Haus einfach lebendig bleibt. Wenn man sieht, was in der alten Kaserne jetzt los ist, dann kann man nur sagen: das ist wie eine Verwandlung und macht einfach auch Spaß, sich das anzugucken.

Jörg Kowollik: Also ich hätte sogar zwei Wünsche. Also einmal den inhaltlichen Wunsch bezogen auf unsere Stadtteiltheatergruppen, dass wir dort weiter daran arbeiten, immer inklusiver zu werden. Das heißt wirklich versuchen, alle Menschen mitzunehmen in der Gesellschaft oder die Strukturen so zu schaffen, dass wir das hinbekommen. Da sind wir ganz gut dran, denn wir haben uns vom Thema Integration in Richtung Inklusion entwickelt und haben jetzt zum Beispiel eine Gruppe, die eine Gebärdendolmetschung dazu nimmt, unterstützte Kommunikation in die Theateraufführung aufnimmt, um wirklich die Räume in den Stadtteilen zu schaffen – für alle Menschen oder alle Kinder und Jugendlichen. Das wäre das eine. Und das ist ja so ein inneres Ziel von uns. Und das zweite wäre, dass ich denke, dass die Arbeit, die so Kulturinstitutionen machen wie wir das sind und auch andere, dass die eine gute Unterstützung braucht, auch in der Zukunft. Und gerade auch in nicht so ganz einfachen gesellschaftlichen Zeiten setzen wir ein Zeichen für Demokratie, für Toleranz, für Vielfalt. Wir bringen gesellschaftliche Themen auf, diskutieren die mit den Teilnehmenden. Und wir sind diejenigen, die Räume schaffen und die Gesellschaft mitgestalten helfen können. Und deswegen ist es auch wichtig, diese Strukturen gut zu fördern und da eine auskömmliche Absicherung zu schaffen. Und zwar nicht nur für Jugendkulturarbeit, sondern für alle kulturellen Institutionen in Oldenburg und in Niedersachsen, würde ich mal so sagen.

Claudia Wronna: Vielen Dank für dieses tolle Schlusswort und vielen Dank für euer Engagement, den Verein so weit vorangebracht zu haben für so viele Kinder und Jugendliche hier in Oldenburg. Und vielen Dank, dass Sie auch schon darüber hinaus über eure eigentliche eigene Initiative hinaus auch euch schon Gedanken macht, wie es zukünftig weitergeht. Herzlichen Dank, dass ihr da wart. Macht's gut.

Gina Schumm, Jörg Kowollik, Dettmar Koch: Danke, Tschüss!

Claudia Wronna: Dies war ein Podcast aus der Reihe „hörbar vielfältig.“ Dies ist ein Projekt des Fachdienstes Integration im Amt für Zuwanderung und Integration der Stadt Oldenburg. Aufnehmen durften wir den Podcast in der Freizeitstätte Bürgerfelde und bedanken uns insbesondere bei Nils Naumann und Felix Klostermann für die technische, herzliche und vor allem unkomplizierte Unterstützung. Hört gerne noch in unsere weiteren Podcastfolgen hinein, diese findet ihr hier. »

Zuletzt geändert am 8. Juli 2025